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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Andenken ich (trotz seiner Galatea) die grösste Verehrung weihe, – ein seichter Schreiber von blödem Geist, – schwachem Talent, – vernageltem Kopf u. s. w. gewesen wäre, – er und seine Galatea meinetalb bis zu Metusalem's Alter miteinander hätten fort trotteln können; – dieses Phänomen wäre nicht eine Parenthese wert gewesen.
    Aber gerade das Gegenteil hiervon war der Fall: Johann de la Casse war ein Mann von schönen Talenten, von fruchtbarer Einbildungskraft; und trotz all diesen großen natürlichen Vorzügen, die ihn mit seiner Galatea hätten vorwärtstreiben sollen, war es ihm rein unmöglich im Lauf eines ganzen Sommertags über 1½ Linien vorzurücken. Diese Unfähigkeit Seiner Eminenz entsprang aus einer eigentümlichen Ansicht, von der er besessen war, – von der Ansicht nämlich: dass wenn nur immer ein Christ ein Buch schreibe (nicht zu seiner Privatunterhaltung nämlich, sondern) um es bona fide drucken zu lassen und herauszugeben, – so seien seine ersten Gedanken immer Versuchungen des Satans. – Dies sei der Stand der Sache bei gewöhnlichen Schriftstellern; wenn aber eine Persönlichkeit von ehrwürdigem Charakter und hohem Rang, sei es in der Kirche oder im Staat, Schriftsteller werde, – dann behauptete er, brächen in dem Augenblick, wo er die Feder zur Hand nehme, – alle Teufel der Hölle aus ihren Löchern, um ihn zu kitzeln. – Es sei ein wahrer Stichtag für sie; jeder Gedanke vom ersten bis zum letzten sei verfänglich; – so köstlich und gut er immer scheine, – es sei Alles gleich; – in welcher Form oder Farbe er auch vor die Einbildungskraft trete – es sei immer ein Streich, den Einer oder der Andere von jenen gegen den Mann richte, und vor dem man sich hüten müsse. – So, dass das Leben eines solchen Schriftstellers, wenn er auch ganz das Gegenteil wähne, nicht sowohl ein Zustand der Composition als ein solcher des Kriegführens sei; und ob er in diesem Kampfe bestehe, das hänge wie bei jedem anderen Streiter auf Erden, – bei weitem nicht so sehr von der Höhe seines Geistes – als von seiner Widerstandskraft ab.
    Mein Vater fand ein hohes Vergnügen an dieser Theorie des Johann de la Casse, Erzbischofs von Benevent, und würde, glaube ich (wenn es ihn nicht in seinem Glaubensbekenntnis etwas beengt hätte) gern zehn der besten Acker von dem Shandyschen Gute hergegeben haben, wäre er der Urheber derselben gewesen. – In wie weit mein Vater überhaupt an den Teufel glaubte, wird man später sehen, wenn ich im Verlaufe des Werkes daran komme, mich über die religiösen Anschauungen meines Vaters auszusprechen: hier genüge, wenn ich sage, dass er, da er diese Ehre im wörtlichen Sinne der Lehre nicht für sich in Anspruch nehmen konnte – wenigstens die Allegorie derselben aufgriff, und häufig, besonders wenn seine Feder nicht recht vorwärts wollte, zu sagen pflegte. unter dem Schleier der parabolischen Vorstellung von Johann de la Casse sei ebensoviel richtige Anschauung, Wahrheit und Kenntnis verborgen, – wie in irgend einer poetischen Fiktion oder mystischen Erzählung aus dem Altertum. – Das Vorurteil der Erziehung, pflegte er zu sagen, ist der wahre Teufel, – und die vielen Vorurteile, die wir in unserer Muttermilch einsaugen, – das sind alle möglichen Teufel. – Sie besuchen uns, Bruder Toby, bei allen unseren Nachtstudien und Forschungen; und wenn ein Mann töricht genug wäre, Alles geduldig anzunehmen, was sie ihm einflüstern – was würde aus seinem Buche werden? Nichts – pflegt er hinzuzusetzen und warf seine Feder zornig weg; – nichts als ein Mischmasch von dem Ammengeplapper und dem Unsinn der alten Weiber (beiderlei Geschlechts) des ganzen Lands.
    Dies ist die beste Erklärung, die ich von dem langsamen Fortschritt meines Vaters in seiner Tristrapädia geben kann. Er war wie gesagt etwas über drei Jahre damit beschäftigt, dabei unermüdlich an der Arbeit und hatte schließlich nach seiner eigenen Rechnung kaum die Hälfte seines Werks vollendet. Leider wurde ich diese ganze Zeit über von ihm total vernachlässigt und blieb lediglich meiner Mutter überlassen; und was fast ebenso schlimm war, gerade durch den Vorzug wurde der erste Teil des Werks, auf den mein Vater die meiste Mühe verwendet hatte, vollständig nutzlos; – tagtäglich wurden eine oder zwei Seiten unbrauchbar.
    Gewiss ist es als Strafe für den Stolz menschlicher Weisheit so bestimmt, dass die Weisesten von uns sich so selbst übertölpeln und

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