Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Onkel Toby, – sie hatte wohl selbst Verfolgung erduldet, Trim, und dadurch gelernt barmherzig zu sein.
Sie war ebensowohl von Natur gutherzig, Euer Gnaden, wie in Folge dessen, was sie durchgemacht hatte – und es sind Umstände in der Geschichte dieser armen verlassenen Person, die ein Herz von Stein erweichen konnten, sagte Trim. Wenn einmal ein recht unfreundlicher Winterabend kommt und Euer Gnaden gerade in der rechten Stimmung sind, will ich's Ihnen erzählen, und auch die übrige Geschichte von Tom, denn es bildet einen Teil derselben.
Vergiss das ja nicht, Trim, sagte mein Onkel Toby.
Ein Neger hat doch wohl eine Seele – Euer Gnaden, sagte der Korporal (etwas zweifelnd).
Ich bin in diesen Dingen nicht recht zu Hause, versetzte mein Onkel Toby; aber ich glaube, Gott wird ihm ebensowenig eine verweigert haben wie dir und mir.
Sonst würde ja ein Mensch ganz traurigerweise über den andern gestellt, meinte der Korporal.
Ja, das würde er, sagte mein Onkel Toby –
Warum also dürfte man ein schwarzes Weibsbild schlechter behandeln als ein weißes, Euer Gnaden?
Ich kann dir keinen Grund angeben, sagte mein Onkel Toby.
Das kann doch nur sein, sagte der Korporal kopfschüttelnd, weil sie Niemand hat, der sich ihrer annimmt.
Du hast's getroffen, Trim, versetzte mein Onkel Toby, – und gerade das empfiehlt sie dem Schutz, – und ihre Brüder ebenfalls; das Kriegsglück hat jetzt uns die Peitsche in die Hand gegeben, – wie es später einmal sein wird, weiß der Himmel! – aber möge es gehen wie es will, Trim, ein tapferer Mann wird keinen lieblosen Gebrauch davon machen.
Das verhüte Gott! sagte der Korporal.
Amen! setzte mein Onkel Toby hinzu und legte die Hand aufs Herz. –
Der Korporal kehrte zu seiner Geschichte zurück und machte weiter, aber mit einer Verlegenheit, die mancher Leser nicht recht verstehen wird. Durch die vielen plötzlichen Übergänge von einer menschenfreundlichen und herzlichen Empfindung zu einer andern hatte er nämlich im Weiterschreiten die vergnügliche Tonart ganz verloren, die seiner Erzählung anfangs Geist und Leben gab. Zwei Mal versuchte er sie wieder zu bekommen, aber der Ton gefiel ihm selbst nicht. – Er stieß also ein kräftiges Hem! aus, um die fliehenden Geister wieder herbei zu holen, wobei er der Natur dadurch nachhalf, dass er den linken Arm in die Seite stemmte und den rechten etwas ausstreckte. Auf diese Art kam der Korporal der Tonart wieder möglichst nahe, und setzte nun seine Geschichte in dieser Haltung fort:
286. Kapitel
Da Tom damals mit der jungen Mohrin nichts zu tun hatte, Euer Gnaden, ging er weiter in das hintere Zimmer, um mit der jüdischen Witwe von seiner Liebe zu sprechen – und von dem Pfund Wurst; und da er, wie ich Euer Gnaden bereits gesagt habe, ein offener frohherziger Bursche war, dessen Charakter in Blick und Benehmen geschrieben stand, so nahm er einen Stuhl und setzte ihn ohne viel Umstände aber mit großer Artigkeit dicht neben sie an den Tisch und setzte sich.
Es gibt nichts Ungeschickteres, Euer Gnaden. als wenn man einem Frauenzimmer den Hof machen muss, während sie Würste macht. – So begann denn Tom eine Unterhaltung über Würste; anfangs ganz ernsthaft: – Wie sie gemacht würden? – Was für Fleisch, Kräuter und Gewürze man dazu nehme; – dann schon etwas lustiger: Was für Därme die rechten wären? – ob sie nie platzten? – ob nicht die längsten die besten seien? und so weiter? – wobei er sich nur in Acht nahm, das, was er über Würste zu sagen hatte, eher etwas zu wenig als zu viel zu salzen – damit er noch immer etwas in Reserve behielt.
Dadurch, dass der Graf de la Motte diese Vorsicht außer Acht ließ, sagte mein Onkel Toby und legte Trim die Hand auf die Schulter, verlor er die Schlacht bei Wynendale. Er drängte viel zu stark in den Wald; hätte er das nicht getan, so wäre Lille nicht in unsere Hände gefallen, und Gent und Brügge, die dem Beispiel des ersteren folgten, ebensowenig. – Es war so spät im Jahr, fuhr mein Onkel Toby fort, und das Wetter, das nun kam, so schrecklich, dass wenn die Dinge nicht diese Wendung genommen hätten, unsere Truppen im freien Feld elend zu Grunde gegangen wären.
Warum also, Euer Gnaden, können nicht Schlachten ebensogut im Himmel beschlossen werden wie Ehen?
Mein Onkel Toby sann darüber nach. – Sein religiöses Gefühl neigte ihn zu der einen Ansicht, und seine hohe Achtung vor der Kriegskunst zur andern; da er deshalb außer
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