Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Schritte von der Haustüre der Frau Wadman entfernt waren, – Sie kann es nicht wohl übel nehmen.
Sie wird es gerade so nehmen, Euer Gnaden, erwiderte der Korporal, wie es die jüdische Witwe in Lissabon bei meinen Bruder Tom nahm.
Und wie war das? fragte mein Onkel Toby und drehte sich ganz zu dem Korporal herum.
Euer Gnaden kennen ja Tom's Missgeschick, versetzte der Korporal, diese Sache hat aber hiermit nur in so weit etwas zu schaffen – als wenn Tom die Witwe nicht geheiratet, – oder es Gott gefallen hätte, dass sie nach ihrer Verheiratung Schweinefleisch in ihre Würste taten, die arme Seele nie aus ihrem warmen Bett gerissen und vor die Inquisition geschleppt worden wäre; – das ist aber ein verwünschter Ort, sagte der Korporal und schüttelte den Kopf, wenn einmal ein armer Teufel darin ist, Euer Gnaden, dann ist an ein Herauskommen nicht zu denken.
Sehr wahr, sagte mein Onkel Toby und schaut dabei ernsthaft nach dem Hause der Frau Wadman.
Nichts ist trauriger als lebenslängliche Haft, sagte mein Onkel Toby, – und nichts so süß, Euer Gnaden, als die Freiheit.
Nichts, Trim, sagte mein Onkel Toby gedankenvoll.
Solange der Mensch frei ist, rief der Korporal und schwang seinen Stock etwa so:
Tausend der feinsten Syllogismen meines Vaters hätten nicht beredter für das Zölibat sprechen können.
Mein Onkel Toby sah mit sehr ernster Miene nach seinem Hause und dem Rasenplatz.
Der Korporal hatte mit seinem Stab unbedachtsamerweise den Geist der Berechnung herauf beschworen; es blieb ihm also nichts übrig, als ihn mit seiner Geschichte hinunter zu beschwören; und das tat der Korporal ganz ungeistlicherweise mit folgender Beschwörung:
284. Kapitel
Da Tom's Stelle eine behagliche war, Euer Gnaden, – und das Wetter warm, – so kam er darauf, ernstlich darüber nachzudenken, ob er sich nicht fest niederlassen sollte; und da um diese Zeit ein Jude, der einen Wurstladen in der gleichen Straße hatte, das Unglück hatte, an der Harnstrenge zu sterben und eine Witwe zu hinterlassen, die eine lebhafte Kundschaft besaß, – so dachte Tom (da in Lissabon Jedermann möglichst gut für sich selbst sorgte), es möchte nicht so übel sein, wenn er ihr seine Dienste zum Weiterbetrieb ihres Gewerbes anböte. So machte sich Tom, ohne dass er eine andere Einführung bei der Witwe gehabt hätte, als dass er ein Pfund Wurst in ihrem Laden kaufte – auf die Beine und rechnete unterwegs so: – im schlimmsten Fall erhalte er ein Pfund Wurst für ihren Wert; – gingen die Sachen aber gut, so etabliere er sich, und bekomme dann nicht nur ein Pfund Wurst, – sondern auch noch ein Weib und einen Wurstladen dazu.
Jeder Diener in der Familie, vom ersten bis zum letzten, wünschte Tom guten Erfolg; und es ist mir, Euer Gnaden, als sehe ich ihn vor mir, in seiner weißen Barchentjacke und Hosen und den Hut etwas auf dem rechten Ohr, wie er fidel die Straßen dahin wandelt und seinen Stock schwingt, und für Jeden, der ihm begegnet, ein Lächeln und ein freundliches Wort hat. Aber ach! du lächelst jetzt nicht mehr, Tom, rief der Korporal, und sah nach der Seite hin auf den Boden, als ob er zu ihm in seinem Kerker drunten redete.
Der arme Bursche, sagte mein Onkel Toby gefühlvoll.
Er war ein ehrlicher Bursche und hatte ein so leichtes Herz, Euer Gnaden, als je eines pulsierte.
Dann glich er dir, Trim, sagte mein Onkel Toby rasch.
Der Korporal errötete bis zu den Spitzen seiner Finger, – eine Träne empfindsamer Scham – eine der Dankbarkeit gegen meinen Onkel Toby, – und eine Träne des Kummers über das Unglück seines Bruders – schossen in sein Auge und rannen zusammen sanft über seine Wangen herab. – Die Wangen meines Onkels Toby flammten daran auf, wie eine Lampe sich an einer andern entzündet, dann fasste er Trim an dem Bruststück seines Rocks (der früher Le Fever gehört hatte), als ob er sein lahmes Bein ausruhen wollte, in Wirklichkeit aber, um einem feineren Gefühl einen Ausdruck zu geben – und blieb so 1½ Minute schweigend stehen; dann zog er die Hand weg. und der Korporal machte eine Verbeugung und fuhr in der Erzählung von seinem Bruder und der jüdischen Witwe fort.
285. Kapitel
Als Tom in den Laden trat, Euer Gnaden, fand er dort Niemand als ein armes Negermädchen mit einem langen Stab in der Hand, an dessen Ende ein Büschel weißer Federn gebunden war, womit sie die Fliegen wegwedelte, – sie aber nicht tötete. – Das ist ein hübsches Bild, sagte mein
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