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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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auferlegt; und werde mich deshalb auch nicht bei ihr entschuldigen, wenn sie wieder kommt: – Es geschah um eine üble Gewohnheit zu rügen, welche sich auch bei tausend anderen Damen eingeschlichen hat – nämlich immer darauf los zu lesen und sich mehr um die Abenteuer zu kümmern als um die tiefe Gelehrsamkeit und Wissenschaft, welche ihnen ein Buch dieser Art, wenn es so gelesen wird, wie es gelesen werden soll, unfehlbar beibringen müsste. – Der Geist sollte sich daran gewöhnen, beim Vorwärtsschreiten in einem Buche, weise Betrachtungen anzustellen, und merkwürdige Schlüsse zu ziehen; Plinius der Jüngere hatte diese Gewohnheit und konnte deshalb sagen, er habe nie ein Buch gelesen, so schlecht dasselbe auch gewesen, ohne dass er etwas daraus gelernt hätte. Ich behaupte, dass sogar die Geschichte von Griechenland und Rom, wenn man sie ohne diese Behandlung und Nutzanwendung liest, weniger nützt, als die Geschichte des Parismus und Parismenus, oder die sieben Ritter von England mit einer solchen.
    Doch da kommt unsere schöne Dame wieder. – Nun, haben Sie das Kapitel noch einmal durchgelesen, Madame, wie ich Sie ersuchte? – Ach Sie haben es; und haben Sie jetzt beim zweiten Lesen den Passus bemerkt, aus welchem sich jene Folgerung ziehen lässt? – Nicht die Spur! – Nun Madame, dann haben Sie die Güte und überlegen sich einmal die zweitletzte Zeile des Kapitels, wo ich mir erlaube zu sagen: ich musste zuerst geboren werden, ehe ich getauft wurde. – Nun, Madame, wäre meine Mutter eine Papistin gewesen, so folgte dies nicht notwendig hieraus. [1]
    Es ist ein schreckliches Missgeschick für dieses mein Buch, noch mehr aber für die gelehrte Welt überhaupt – so dass mein spezielles Missgeschick im Hinblick hierauf ganz verschwindet – dass dieser nämliche gemeine Kitzel nach neuen Abenteuern in allen Dingen, so ganz in unsere Gewohnheit und Art übergegangen ist, und dass wir so darauf aus sind, unsere ungeduldige Neugierde zu befriedigen, – dass nur die gröberen und mehr fleischlichen Teile einer Dichtung hinunter gehen – die feineren Winke und scharfsinnigen Mitteilungen der Wissenschaft aber wie Geister aufwärts fliegen und die schwere Moral nach abwärts versinkt, so dass beide der Welt so vollständig verloren gehen, als ob sie noch am Boden des Tintenfasses säßen.
    Ich wünsche, der männliche Leser möchte nicht manche ebenso interessante und feine Stelle wie diese überschlagen haben, bei welcher der weibliche Leser erwischt wurde. Ich wünsche, dieser Fall möchte seine Wirkung nicht verfehlen, – und alle guten Leute, männliche und weibliche ein Exempel daran nehmen und ebenso gut denken wie lesen lernen.
     
    Fußnote
    [1] Die römisch-katholische Kirchenordnung bestimmt die Taufe des Kindes in gefährlichen Fällen, auch ehe es geboren ist, doch mit dem Vorbehalt, dass irgend ein Teil vom Körper des Kindes dem Taufenden sichtbar sein müsse. Die Doktoren der Sorbonne jedoch haben auf Grund einer am 10. April 1733 gepflogenen Beratung die Befugnisse der Hebammen erweitert, und entschieden, dass wenn auch kein Teil von dem Körper des Kindes sichtbar sein sollte, die Taufe desselben gleichwohl mittelst Einspritzung – par le moyen d'une petite canulle – zu Deutsch, mittelst einer kleinen Spritze, zu geschehen habe. – Es ist sehr seltsam, dass der heilige Thomas von Aquino, der doch soviel mechanisches Talent hatte, um die Knoten der Scholastik zu schürzen und zu lösen, nach all der Mühe, die er auf diesen Punkt verwendete, ihn endlich als eine zweite Chose impossible aufgegeben hat. »Infantes in maternis uteris existentes (sagt der heil. Thomas) baptizari possunt nullo modo.« – O Thomas! Thomas!
    Falls der Leser gerne wissen möchte, wie die Frage der Taufe mittelst Einspritzung an die Doktoren der Sorbonne gelangte und wie ihre Beratung hierüber verlief, so möge er das Folgende lesen:
    Mémoire presenté à Messieurs les Docteurs de la Sorbonne.
    Un Chirurgien Accoucheur represente à Messieurs les Docteurs de la Sorbonne, qu'il y a des cas, quoique très rares, où une mère ne saurait accoucher, et même où l'enfant est tellement renfermé dans le sein de sa mère, qu'il ne fait paraître aucune partie de son corps, ce qui serait un cas, suivant les Rituels, de lui conférer du moins sous condition, le baptême. Le Chirurgien, qui consulte, présente, par le moyen d'une petite canulle, de pouvoir baptiser immediatement l'enfant, sans faire aucun

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