Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
jeder Art von Wissenschaft ein Ende machen – und dann – müssen wir Alle wieder von vorn anfangen; oder mit andern Worten wir sind dann wieder da angelangt, von wo wir ausgegangen waren.
    Glückliche, drei Mal glückliche Zeiten! Ich wünsche nur, dass die Ära meiner Zeugung wie auch die Art und Weise derselben ein wenig anders gewesen wäre – oder dass sie, wofern es meinem Vater oder meiner Mutter gepasst hätte, noch etliche 20–25 Jahre verschoben geblieben wäre, wo dann ein Mann in der literarischen Welt mehr Aussicht gehabt hätte.
    Doch ich vergesse meinen Onkel Toby, der die ganze Zeit her die Asche aus seiner Tabakspfeife klopft.
    Sein Humor war von der besonderen Sorte, die unserer Atmosphäre Ehre macht; und ich würde mich keinen Augenblick besonnen haben, ihn unter ihre Produkte erster Klasse zu reihen, hätten sich nicht dabei so viele starke Züge einer Familienähnlichkeit gezeigt, aus denen hervorging, dass er die Eigentümlichkeit seines Wesens mehr dem Blut als dem Wind oder Wetter oder einer Verbindung, einer Abart beider zu verdanken habe. Ich habe mich daher auch oft gewundert, dass mein Vater – (ich glaube freilich, dass er seine besonderen Gründe dazu hatte), – wenn er an mir als Knabe gewisse Anzeichen von Sonderbarkeit bemerkte, – sich niemals die Mühe nahm, dieselben auf diese Weise zu erklären; denn die ganze Familie Shandy hatte einen eigentümlichen Charakter: – ich meine die männlichen Mitglieder derselben – denn die weiblichen hatten gar keinen Charakter – mit Ausnahme meiner Großtante Dinah, die vor etwa 60 Jahren ihren Kutscher geheiratet und ein Kind von ihm bekommen hatte; weshalb mein Vater, seiner Hypothese in Betreff der Vornamen getreu, zu sagen pflegte, sie habe sich bei ihren Paten und Patinnen dafür zu bedanken.
    Es wird sonderbar erscheinen – und wenn ich den Leser raten lassen wollte, wie das zuging, so möchte es scheinen ich wolle ihm ein Rätsel aufgeben, was nicht in meinem Interesse liegt – dass ein Ereignis dieser Art so viele Jahre nachher noch den Frieden und die Eintracht stören sollte, die sonst in so herzlicher Weise zwischen meinem Vater und meinem Onkel Toby bestanden. Man hätte denken sollen, dass sich die ganze Macht des Ungewitters gleich anfangs in der Familie entladen und verzehrt hätte – wie dies gewöhnlich der Fall ist. – Aber in unserer Familie ging eben nichts auf die gewöhnliche Weise. Möglich dass zur Zeit da jenes geschah, noch irgend etwas Anderes sie schmerzlich betraf; und da uns ja die Trübsal zu unserem Besten geschickt wird, der Familie Shandy aber aus jenem Missgeschick noch nie irgend etwas Gutes erwachsen war, so mochte es wohl auf passendere Zeiten und Umstände warten, wo es gelegentlich seinen Zweck erfüllen konnte. – Ich bitte übrigens zu bemerken, dass ich hierüber nichts Bestimmtes gesagt haben will. Mein Weg ist immer der, dass ich dem Wissbegierigen verschiedene Spuren der Nachforschung andeute, auf denen er bis zu der Quelle der Ereignisse gelangen kann, die ich erzähle; – nicht mit dem Griffel des Pedanten – oder in der entschiedenen Weise des Tacitus, der klüger ist als er selbst und sein Leser; sondern mit der dienstfertigen Demut eines Herzens, das nur die Wissbegierigen unterstützen will: – für diese schreibe ich – und von ihnen werde ich auch bis ans Ende der Welt gelesen werden wenn eine solche Lektüre sich so lange halten kann.
    Weshalb also diese Quelle der Betrübnis für meinen Vater und Onkel aufbehalten blieb, lasse ich unentschieden. Wie und in welcher Richtung sie aber wirkte, um die Ursache einer missvergnügten Stimmung zwischen ihnen zu werden, nachdem sie einmal begonnen hatte zu wirken, das kann ich mit grösster Genauigkeit auseinander setzen. Die Sache war so:
    Mein Onkel Toby Shandy, Madame, besaß neben den Tugenden, welche gewöhnlich den Charakter eines ehrenhaften und rechtschaffenen Mannes bezeichnen – noch eine andere und zwar in hohem Grade, welche sonst selten oder nie auf der Liste steht; und das war eine außerordentliche, beispiellose Züchtigkeit von Natur – doch ich streiche das Wort Natur wieder, weil ich einen Punkt nicht zum voraus entscheiden möchte, der bald näher untersucht werden muss: ob nämlich diese Züchtigkeit ihm von Natur anklebte oder ob sie erworben war? – Auf welchem Wege aber mein Onkel dazu gekommen sein mochte, Züchtigkeit im reinsten Sinne des Worts war es; und zwar, Madame, nicht in Beziehung auf seine

Weitere Kostenlose Bücher