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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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jenen derselben wählen sollte. Meines Bruders Namen Bob gehörte auch zu diesen neutralen Vornamen, die nach jeder Richtung hin von geringer Wirkung waren; und da sich mein Vater gerade zu Epsom befand, als mein Bruder den Namen erhielt, dankte er oft dem Himmel, dass er nicht schlimmer ausgefallen war. Andreas war eine Art negative algebraische Grösse in seinen Augen; er sei geringer als nichts, sagte er, William stand ziemlich hoch, Numps dagegen tief, und von Nick sagte er, das sei ein Teufelsname.
    Vor keinem Namen auf der weiten Erde hatte er aber einen so unüberwindlichen Widerwillen als vor Tristram; – von ihm hatte er die niedrigste, verächtlichste Meinung von der Welt, und glaubte, er könne unmöglich in rerum naturae etwas Anderes als etwas ganz Gemeines und Erbärmliches zu Wege bringen, so dass er mitten in einem Disput über diesen Gegenstand, worin er beiläufig bemerkt nicht selten verwickelt ward – bisweilen mit einem plötzlichen, geistreichen Epiphonema oder richtiger einer Erotesis abbrach, dabei die Stimme um eine Terze, bisweilen um eine volle Quinte über die Tonart des Gesprächs erhob – und seinen Gegner kategorisch fragte, ob er zu sagen wage, er erinnere sich – oder er habe einmal gelesen, – oder er habe jemals gehört, dass ein Mensch mit Namen Tristram etwas Großes oder Denkwürdiges ausgeführt habe? – Nein – setzte er dann hinzu – Tristram! – Das ist rein unmöglich.
    Es fehlte nichts mehr, als dass mein Vater ein Buch geschrieben hätte, um seine Ansicht über diesen Gegenstand der Welt mitzuteilen. Es macht ja dem scharfsinnigen Denker wenig, wenn er mit seiner Meinung allein steht – wenn er nur in der Lage ist, ihr gehörig Luft zu machen. – In der Tat machte es mein Vater auch so: – denn im Jahr sechzehn, also zwei Jahre ehe ich geboren wurde, ging er wirklich daran und schrieb eigens eine Dissertation über das Wort Tristram – worin er der Welt mit großer Ehrlichkeit und Bescheidenheit die Gründe auseinander setzte, weshalb er einen so tiefen Abscheu vor dem Namen hege.
    Wenn der geneigte Leser diese Geschichte mit dem Titelblatt des Buches vergleicht – muss er da nicht meinen Vater aus tiefster Seele bedauern! Dass einem so methodischen und gut gesinnten Mann, mit – wenn auch sonderbaren doch durchaus harmlosen Ansichten durch zufällige Querstriche so schändlich mitgespielt wurde! dass er in allen seinen kleinen Systemen und Wünschen so verhöhnt und misshandelt werden musste! dass eine ganze Reihe von Ereignissen eines ums andere gegen ihn ausfiel, und zwar auf eine so kritische und grausame Weise, als ob sie absichtlich in Szene gesetzt und gegen ihn aufgespielt worden wären, um seine Pläne und Absichten zu kränken! Mit einem Wort, dass ein Mann in seinem vorgerückten Alter, wo man derartige Widerwärtigkeiten nicht mehr gut erträgt, zehn Mal im Tag sich selbst einen Stich durchs Herz geben – zehn Mal im Tag das Kind seiner Gebete Tristram rufen musste! – Melancholisch zweisilbiges Wort! in seinem Ohr gerade so viel wie Hansnarr oder jeder andere Schimpfname unter der Sonne. – Bei seiner Asche! ich schwöre es: wenn je ein boshafter Geist sich ein Vergnügen oder ein Geschäft daraus machte, die Absichten eines Sterblichen zu durchkreuzen – so muss es in diesem Falle gewesen sein; – und wenn es nicht notwendig wäre, dass ich vorher geboren wurde, ehe ich getauft werde, so würde ich dem Leser die Sache gleich jetzt erzählen.
     
    20. Kapitel
    Wie konnten Sie so wenig Acht geben, Madame, als Sie das letzte Kapitel lasen! Ich erzählte Ihnen ja darin, dass meine Mutter keine Papistin gewesen sei. – Papistin! Sie sagten kein Worte davon. – Erlauben Sie, Madame, dass ich wiederhole: ich habe es Ihnen wenigstens so deutlich gesagt, als es Worte, aus denen sich Etwas klar folgern lässt, ausdrücken können. – Dann muss ich eine Seite überschlagen haben. – Nein, Madame, Sie haben kein Wort überschlagen. – Dann habe ich geschlafen, mein Herr. – Das kann mein Stolz nicht zugeben, Madame, – dann muss ich sagen, verstehe ich kein Wort von der ganzen Sache. – Das ist es ja gerade, was ich Ihnen zur Last lege, Madame; und zur Strafe muss ich darauf bestehen, dass Sie sofort wieder umkehren, das heißt sobald Sie bis an den nächsten Absatz gekommen sind, und dann das ganze vorige Kapitel noch einmal lesen.
    Ich habe der Dame diese Buße weder aus Mutwillen noch aus Grausamkeit, sondern in der besten Absicht

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