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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
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für den weiteren Kriegsverlauf hätte bedeuten können. Dieser Plan wurde aber nie umgesetzt. Wahrscheinlich weniger wegen der Warnung von Reichsbankpräsident Walther Funk, ein solches Vorgehen verletzte internationales Recht (sic!), sondern weil die Luftwaffenführung sich widersetzte. Für eine solche Aktion wollte sie kein wertvolles Flugzeugbenzin opfern.
    Lange Zeit experimentierten Wissenschaftler, Techniker und Handwerker ohne großen Erfolg. Das Falschgeld, das sie produzierten, war einfach nicht von ausreichender Qualität. Der Durchbruch kam erst mit dem „Unternehmen Bernhard“, benannt nach dem Leiter der Aktion, SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger. Im Herbst 1942 richtete Krüger im Konzentrationslager Sachsenhausen eine Fälscherwerkstatt ein. In dieser Werkstatt arbeiteten am Schluss rund 140 jüdische Häftlinge, die - perverse Strategie - hoffen konnten, dem Tod zu entgehen, solange man sie für die Blütenproduktion brauchte. Tatsächlich überlebten die meisten von ihnen das Nazi-Regime. Die Fälscher wider Willen - es waren überwiegend Drucker, Graveure, Schriftsetzer oder Lithografen - produzierten insgesamt fast neun Millionen Geldscheine mit einem nominellen Wert von mehr als 134 Millionen Pfund.
    Die Männer arbeiteten äußerst akribisch. So fanden sie zum Beispiel heraus, dass die Bank of England manche Buchstaben auf den Scheinen zum Schutz vor Nachahmungen absichtlich verformen ließ. Außerdem bekam das Papier absichtlich fast unsichtbare Flecken. In Sachsenhausen wurden diese Flecken „Fliegenschisse“ genannt. Auch eine andere Erkenntnis kostete unglaublich viel Aufwand: Die Tinte, mit denen die echten Pfundnoten bedruckt wurden, bestand teilweise aus der Kohle verbrannter Weinstöcke, die in Leinsamenöl gekocht wurde. Der Lohn all der Mühe: Die Blüten wurden so gut, dass Banken, offenbar auch britische Banken, das Geld als echt akzeptierten.
    Da der Plan, das falsche Geld einfach über Großbritannien abzuwerfen, nicht umgesetzt werden konnte, überlegte man sich im Reichssicherheitshauptamt in Berlin andere Verwendungszwecke. Vor allem wurde mit den Blüten im großen Stil eingekauft: echte Devisen, Gold, Rohstoffe, Waffen. Auch Agenten wurden mit den Pfundnoten aus Sachsenhausen bezahlt. Den Vertrieb der falschen Millionen kreuz und quer durch ganz Europa steuerte eine geheime Zentrale in Südtirol: Der sogenannte „Sonderstab Generalkommando III. Germanisches Panzerkorps“ richtete sich in einem Hotel in dem Südtiroler Ort Tiers ein. Leiter der Dienststelle mit ihren 50 Mitarbeitern war der zwielichtige Geschäftemacher Friedrich Schwend, der in Südtirol als „Dr. Wendig“ auftrat. Schwend gelang es nach dem Krieg, sich nach Südamerika abzusetzen. Er wurde nie gefasst. SS-Mann Krüger soll „seine“ Häftlinge in Sachsenhausen vergleichsweise human behandelt haben. Jedenfalls wurde er nie von der Justiz behelligt und starb 1989 als alter Mann in Hamburg.“
    „... richtete sich in einem Hotel in dem Südtiroler Ort Tiers ein“.
    Matthias konnte nicht fassen, was er da las. Gut - wo dieser Schwend-Wendig sein Büro hatte, war offenbar nur eine ganz kleine Randnotiz der Weltgeschichte. Jedenfalls gab es in Tiers kein Museum und keine Gedenkstätte, nicht einmal eine Gedenktafel, und nie hatte sich ein Gast nach der Vergangenheit des Jägerhofes erkundigt. Aber trotzdem: Sein Großvater war, wenn auch unfreiwillig, Teil einer schmutzigen Sache geworden. Der Jägerhof, dieses prachtvolle Haus, die Heimat seiner Familie, dieses Ferienziel vieler Menschen, hatte in Matthias‘ Kopf gerade seine Unschuld verloren.
    Matthias Jäger schaute auf die Uhr: Es war kurz nach Mitternacht, der Donnerstag war ein paar Minuten alt. Rainer hatte angekündigt, bis spätestens Freitag Vormittag, zur Beerdigung der Großmutter, wieder da zu sein. Er hatte aber nicht gesagt, dass er nicht eventuell schon am Donnerstag wieder zurückkommen könnte. Außerdem war an Schlaf jetzt ohnehin nicht zu denken. Matthias beschloss, noch in dieser Nacht aus den Tagebüchern herauszuziehen, was herauszuziehen war. Er war ein recht guter Querleser. Dieses Talent wollte er in den nächsten Stunden nutzen.
    Er war so aufgewühlt, dass es ihm schwer wie nie fiel, auf dem Stuhl am Schreibtisch sitzenzubleiben. Schnell, aber gleichzeitig konzentriert ging Matthias die einzelnen Kladden Seite für Seite durch.
    Aus den Eintragungen ging hervor, dass die SS den Jägerhof von Herbst 1943 bis Ende 1944 als

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