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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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ehe sie zu was kommen.«
    Ich nickte.
    »Als mein Vater hörte, was los war, ging er natürlich an die Decke. Huh, hat der getobt. Er sagte, Andrew sei nichts als ein Mitgiftjäger, und er hat’s ihr verboten und hat Helen gesagt, sie dürfe Andrew nie wiedersehen, und so weiter. Genau wie’s in Büchern vorkommt. Sie konnte also gar nichts weiter tun als durchbrennen, um Andrew zu heiraten. — Kennen Sie meinen Vater zufällig, Miß Evans?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Er heißt O. B. Brown. Sie haben noch nie von ihm gehört?«
    »Nein. Bedaure.«
    »Wenn Sie ihn kennen würden«, sagte Lucy mit Nachdruck, »würden Sie die Lage sofort verstehen. Ich selbst glaube nicht, daß Andrew ein Mitgiftjäger ist. Helens Geld ist sowieso alles festgelegt, so daß Andrew gar nicht dran könnte. Das Elend ist, mein Vater hat einen solchen Dickkopf; wenn sich bei dem mal eine Idee festgesetzt hat, dann bringt sie keiner mehr heraus. Und er ist so wütend auf Helen, weil sie durchgebrannt ist, daß er befohlen hat, niemand von unserer Familie darf zu der Hochzeit gehen, und das gilt auch für mich.« Ihre Hände im Schoß verkrampften sich.
    »Das ist eine Schande«, erwiderte ich.
    »Vielen Dank. So, jetzt wissen Sie, warum ich zu Ihnen gekommen bin. Wäre es möglich?«
    »Wäre was möglich, Lucy?«
    »Daß ich mir Helens Brautkleid ansehe?«
    »Hat sie es hier bestellt?«
    »Das versuche ich Ihnen doch zu erklären, Miß Evans. Sally Ann Greer hat es mir gesagt.«
    »Aber weshalb willst du es denn sehen?«
    »Oh, bitte, bitte.« Das klang verzweifelt ernst. »Ich liebe meine Schwester Helen. Und wenn ich schon nicht zu ihrer Hochzeit gehen kann, möchte ich mir doch wenigstens vorstellen können, wie sie aussehen wird, wenn sie Andrew heiratet.«
    Ich hätte mir eigentlich denken können, daß dieser Tag so enden würde. Tränen standen in ihren jungen Augen; Tränen standen in meinen alten, als ich sagte: »Ich will nachsehen, Lucy. Ich bin gleich zurück.« Und damit ging ich in mein Büro, seelisch reichlich lädiert. In meinen Akten fand ich die Auftragskopie für die Brautausstattung Helen Brown. Es war alles ganz klar und in Ordnung. Das Kleid war eines von Mr. Brunos einfacheren Modellen, weißer Taft, Preis einhundertzehn Dollar. Der Kopfputz kostete fünfundvierzig und kam vom Lager, was bedeutete, daß es keine von Margots Spezialschöpfungen war. Auf der Karte stand notiert, daß Miß Brown Donnerstag nachmittag zur letzten Anprobe kommen werde; und eine weitere Eintragung zeigte, daß das Kleid bereits geliefert war. Beraterin war Miß Caswell, und das erklärte, warum dieser Auftrag in meinem Gedächtnis nur einen sehr verschwommenen Eindruck hinterlassen hatte: Es war nichts Besonderes daran, und Miß Caswell hatte alles in ihrer gewohnten, geräuschlosen Weise erledigt.
    Ich ging in den Frischhalter und fand Kleid und Kopfputz ohne Schwierigkeit, nahm beides mit und hängte es für Lucy auf einen Ständer.
    Einige Sekunden stand sie da und betrachtete das Kleid wortlos. Ihre Augen waren ausdruckslos. Schließlich sagte sie sehr ruhig: »Es ist hübsch.«
    »Ja, es ist ein sehr hübsches, kleines Modell.« Ich nahm das Kleid vom, Ständer und hielt es mir an, so daß sie besser sehen konnte, wie es wirkte.
    »Könnten Sie es anziehen, Miß Evans?« fragte sie.
    »Ich fürchte, das geht nicht, Lucy.«
    Sie wandte sich um, warf einen Blick auf Alice. »Die junge Dame dort am Schreibtisch — könnte sie es einmal für mich anziehen? Sie gleicht Helen sehr, Miß Evans. Sie hat die gleichen Farben und die gleiche Figur.«
    »Tut mir leid. Sie darf nicht von ihrem Tisch fort. Sie muß Auskünfte geben.«
    »Na, es macht auch wohl nichts«, erklärte Lucy. Wieder starrte sie das Kleid an. »Miß Evans, hat das schrecklich viel Geld gekostet?«
    »Nicht schrecklich viel.«
    »So wie tausend Dollar?«
    »Oh, nein.«
    »Fünfhundert?«
    »Nein, nein, soviel nicht.«
    Sie schürzte die Lippen und wandte sich dem oben auf dem Ständer thronenden Kopfputz zu. »Und das wird Helen auf dem Kopf tragen?« fragte sie.
    »Ja.« Ich hing das Kleid wieder hin und nahm das Gesteck herunter, damit sie es aus der Nähe ansehen konnte.
    »Wie nett«, sagte sie höflich. »War das sehr teuer?«
    »Nicht so sehr.«
    Wieder schwieg sie, und ich fragte mich, was für Gedanken durch ihr kleines, helles Köpfchen gehen mochten. Erraten konnte ich es nicht. Ihre Augen waren ausdruckslos, weit fort. Sie sagte: »Jetzt kann ich mir

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