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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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kam Lucy ins Foyer gerannt.
    Atemlos rief sie: »Miß Evans!«
    Ich blieb stehen und wartete auf sie.
    Sie lief auf mich zu, die Wangen glühend vor Aufregung. »Miß Evans, ich habe noch gar nicht Danke gesagt, daß Sie meinem Vater das Kleid gezeigt haben. Hoffentlich haben Sie nicht gedacht, daß wir schreckliche Quälgeister waren.«
    »Nein, Lucy.«
    »Sehen Sie — « Sie zögerte, und ihre Augen wurden ganz ernst. »Sehen Sie, Sie müssen gar nicht hinhören, was mein Vater redet. Er liebt Helen nämlich immer noch, wirklich.«
    Mir fehlte die Antwort.
    Sie strahlte Alice an. »Oh, Mensch! Sie sehen wunderbar aus! Heiraten Sie bald?«
    Alice errötete und schüttelte den Kopf.
    »Nun, wenn Sie heiraten«, sagte Lucy, »müssen Sie unbedingt genauso ein Kleid tragen. Es steht Ihnen fabelhaft. — Ich muß laufen, Miß Evans. Mein Vater bringt mich um, weil ich ihn habe warten lassen. Adieu.«
    Noch eines ihrer hellen, unschuldigen Lächeln, dann schwirrte sie davon. Kirkpatrick wandte sich schweigend um und folgte ihr langsam, die Schultern gebeugt; ich vermochte mir nicht vorzustellen, was ihm durch den Kopf ging.
    Als ich Alice beim Arm nahm, stöhnte sie: »Miß Evans, Miß Evans, ich glaube, ich werde ohnmächtig.«
    »Ohnmächtig können Sie in der Anprobe werden«, erwiderte ich; doch als wir dort ankamen, weinte sie nur ungefähr fünf Minuten lang leise vor sich hin. »Um Himmelswillen, was ist denn nur los, Alice?« fragte ich.
    »Oh, Miß Evans, ich wünschte, mein Freund hätte mich in diesem Brautkleid sehen können. Aber zwischen uns ist es aus, und er geht jetzt mit einem anderen Mädchen.«
    »Machen Sie sich nichts draus, Alice. Jungens gibt es wie Sand am Meer. Ein hübsches Mädchen wie Sie wird ohne Mühe einen anderen finden. Und wahrscheinlich einen besseren obendrein.«
    »Wirklich?« fragte sie.
    »Natürlich.«
    Das schien sie aufzuheitern. Demnach musste ich ja reden wie eine, die weiß, wovon sie spricht.

9

    Den Rest des Vormittags ging alles glatt; das überraschte mich, denn nach meiner Erfahrung folgt einer Krise bei uns sofort die nächste, und dann noch eine und noch eine. Eine Einzelkrise scheint es in der Abteilung Brautausstattungen nicht zu geben. Sie kommen immer haufenweise oder gar nicht. Es gibt sonnige Tage, an denen alle Bräute lieb und süß und verständnisvoll sind, an denen alle Lieferungen eintreffen wie versprochen, und an denen uns niemand von der Geschäftsleitung belästigt. Und dann gibt es die Krisentage, an denen alle Himmel sich öffnen und man wünscht, nie geboren worden zu sein.
    Heute war es zwar ruhig, doch nicht ohne unsere üblichen Merkwürdigkeiten. Kurz vor zwölf kam Miß Moon angesegelt, und ich konnte sie Gott sei Dank abfangen, ehe sie eine der Beraterinnen festnagelte. Wie Miß Moon tatsächlich hieß, hatten wir nie erfahren; doch seit Jahren besuchte sie uns regelmäßig einmal im Monat, und es war Miß de Wild, welche die bemerkenswerte wissenschaftliche Entdeckung machte, daß diese Besuche immer stattfanden, wenn wir Vollmond hatten. Deshalb hatten wir sie so genannt. Sie war eine große, furchteinflößende Frau von Ende vierzig mit schwarzgefärbtem Haar und ziemlich groben Gesichtszügen. In ihrer Jugend mochte sie recht anziehend gewesen sein, jetzt wirkte sie nur bemitleidenswert.
    »Guten Morgen«, sagte ich, »kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Sie sah sich mit glitzernden Augen im Foyer um. Dann beugte sie sich vor und murmelte mir zu: »Sie wissen wahrscheinlich, wer ich bin. Mein Name ist Miß Albemarle.«
    Vergangenen Monat hatte sie Miß Bedford geheißen; den Monat davor Miß Marborough. »Ja, bitte, Miß Albemarie?«
    »Dies ist streng vertraulich«, flüsterte sie. »Sie dürfen es keiner Menschenseele erzählen. Wenn die Zeitungen davon hören, ist alles verloren. Nächste Woche, meine Liebe, heirate ich General Maxwell Taylor, und ich brauche sehr eilig ein Brautkleid.«
    Arme Miß Moon. Vorigen Monat schickte sie sich an, Sir Laurence Olivier zu heiraten; den Monat davor Henry Fonda.
    »Wird es eine Hochzeit mit militärischen Ehren?«
    »Oh, ja, mit Degen und allem.«
    Ich senkte die Stimme. »Ganz ehrlich gesagt, wir haben nichts Passendes für ein so bedeutendes Ereignis. Sie suchen doch sicher etwas ganz Besonderes.«
    »Natürlich. Dem General ist so leicht nichts recht, wissen Sie.«
    »Ich habe munkeln hören, daß Bergdorf gerade eine Sendung bildschöner Kleider bekommen hat. Direkt aus Paris.«
    »Wirklich?

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