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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Und Sie meinen, die würden geeignet sein?«
    »Oh, ganz sicher. Warum gehen Sie nicht und sehen sie an?«
    »Tue ich«, erklärte sie, wandte sich um und eilte davon.
    Arme Frau. Seit Jahren ging das so. Wir schickten sie zu Bergdorf. Die schickten sie zu Lord & Taylor; die schickten sie zu Saks, Fifth Avenue, die sie wiederum zu uns schickten. Ihr schien diese Reiserei Spaß zu machen; wir aber wußten aus Erfahrung, daß es katastrophal war, sie ein Kleid anprobieren zu lassen — sie wurde sofort hysterisch.

    Um Viertel nach eins ging ich hinunter zum Essen. Zwanzig Minuten später war ich zurück. Ich kontrollierte die große Anprobe, um mich zu überzeugen, daß sie tipptopp war für die Tochter unseres Vizepräsidenten und Direktors für Kundenbetreuung; dann inspizierte ich unsere Lagerräume und sah mir unsere Kollektion von Braut- und Brautjungfernkleidern an, als wären sie mir nicht alle längst bestens vertraut. Um zwanzig nach zwei ging ich hinaus ins Foyer, um Marion Carroll und ihre acht Freundinnen zu erwarten — es konnte ja immerhin sein, daß sie einige Minuten zu früh kamen, wie das bei Jungverlobten oft passiert; in diesem Falle jedoch irrte ich mich.
    Um halb drei erschien auch Mrs. Buckingham im Foyer, der ich nach einer Weile allerdings vorschlug, doch lieber in dem bequemeren Zimmer der Beraterinnen zu warten; Miß Carroll hatte offenbar keine übergroße Eile, ihren bräutlichen Staat auszusuchen. Ein paar Minuten vor drei rief Miß Keeler an und sagte mit ihrer frostigen Stimme: »Miß Evans, Mr. Carroll wünscht zu wissen, ob Miß Carroll eingetroffen ist?«
    »Tut mir leid, nein. Ich werde Mr. Carroll verständigen, sobald sie eintrifft.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Miß Keeler und schaffte es mühelos, aus den beiden Wörtern zwei lange Eiszapfen zu machen.
    Alice war blaß, wahrscheinlich als Folge der harten Prüfung, die der Vormittag ihr gebracht hatte. Ich plauderte mit ihr, um sie aufzumuntern, doch die Reaktion war mäßig. Im Foyer herrschte Stille; nur einige Bräute warteten; und die Luft roch so frisch und sommerlich, daß ich schläfrig wurde und an die Bretagne dachte, wo ich einst so glücklich gewesen war. Die Sonne schien auf mich herab; der Himmel über mir war blau und wolkenlos; Apfelbäume blühten, und ich hätte schwören können, daß ich Bienen summen und Kühe muhen hörte.
    Mitten in diese angenehmen Träume platzte Patsy Cullen, aufgemacht wie ein Teenager, sogar die Söckchen fehlten nicht. Hinter ihr her stürzte Ted Norrish, der in seinem grauen Tweed-Anzug aussah wie ein englischer Landedelmann.
    Ich hatte keine Ahnung, was sie hier wollten. Beide gehörten zu Mr. Tompkins Abteilung Sicherheit. Sie hatten die Aufgabe, durchs Geschäft zu patrouillieren und uns vor Ladendieben und ähnlichen Delinquenten zu bewahren.
    Patsy gab ein gepreßtes »D’Arcy« von sich, und ich starrte sie verwundert an. Dies war ein flagranter Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften. Sie durfte mich nie und unter keinen Umständen in der Öffentlichkeit mit Namen anreden; und ich durfte mir durch nichts anmerken lassen, daß ich sie erkannte.
    Gleichmütig erwiderte ich: »Was ist los?«
    »Hören Sie zu«, flüsterte sie. »Nicht aufregen. Draußen ist eine Horde Betrunkener —«
    »Betrunkener?«
    Ted Norrish zischte aus dem Mundwinkel: »Und wie: Die sind voll bis oben hin.«
    »Voll?«
    »Wir wollten Sie warnen«, fuhr Patsy fort. »Die streben alle hierher.«
    Ich hatte noch immer nicht den leisesten Schimmer, wovon Patsy und Ted Norrish redeten. »Was soll das heißen, sie streben alle hierher?«
    »Hören Sie sie denn nicht?« fragte Patsy. »Jetzt wälzen sie sich gerade durch Negliges, müssen jeden Moment hier sein.«
    Es war nicht Bienensummen und Kühemuhen in der Bretagne, das ich in meinem Wachtraum gehört hatte, sondern dies, und jetzt hörte es sich viel eher an wie ein näherkommender Tornado. »Mein Gott, Patsy, wie ist denn eine Horde Betrunkener bis in unser Stockwerk gekommen? Sie müssen sie aufhalten. Ich erwarte jeden Moment Mr. Carrolls Tochter, und wir müssen vermeiden, daß sie hier auf die Betrunkenen trifft.«
    »Wir konnten sie nicht aufhalten«, erwiderte Patsy scharf. »Es waren zu viele.«
    »Zu viele!« schrie ich auf. »Was ist denn bloß los? Sind die alle aus einer Trinkerheilanstalt ausgebrochen?«
    »Ruhig bleiben, D’Arcy. Ted und ich bleiben hier bei Ihnen. Drei weitere von unseren Leuten folgen ihnen auf den Fersen. Wenn sie

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