Lauter Bräute
Braut hatten wie Alice Pye.
Die anderen Mädchen im Foyer starrten sie in stummem Neid an. Sogar die Beraterinnen waren beeindruckt. Als wir bei Lucy und den drei Männern ankamen, war das Schweigen beinahe beängstigend.
Kirkpatrick schien völlig verstört. Konnte dieses bezaubernde Wesen die Kleine vom Empfang sein, die er ein halbes dutzendmal am Tag anraunzte? Mr. Dietrich war schlicht überwältigt. Wie war dies Engelsgeschöpf nur mit 75 Dollar die Woche auf seine Lohnliste geraten? Doch die Schau lief ja in erster Linie für Mr. O. B. Brown ab, und ich sah, wie sein gelbliches Gesicht plötzlich rot anlief; seine Handknöchel wurden weiß, und er starrte Alice ungläubig an. Ich glaube, er sah sie nicht als Alice. Für sein inneres Auge war das Helen, seine Tochter, die ungehorsam gewesen, die davongelaufen war, die einen anderen Mann liebte. So würde sie aussehen, wenn sie mit Andrew am Altar stand, und er würde nicht dabeisein, um seinem Stolz und seiner Liebe Ausdruck zu geben. Plötzlich tat er mir leid. Er war nicht der Mann, ein so heftiges Gefühl zu ertragen.
»O Daddy!« sagte Lucy beklommen und aufgeregt, »ist es nicht schön? Ist es nicht wundervoll?« Sie war ein Realist. Sie war weiblich. Sie sah das Kleid, nicht Alice.
»Ja«, erwiderte er kurz.
Und ich sagte, das erstemal in meinem Leben mir vorkommend wie eine Bordellmadam, die ihre Ware vorführt: »Es sitzt natürlich nicht ganz. Es wären einige Änderungen nach der Figur der Trägerin notwendig — «
Mr. Brown stand mit einer gereizten Bewegung auf, mich beiseite wischend wie ein lästiges, kleines Insekt. »Den Kram brauchen Sie mir nicht zu erzählen. Das können Sie Helen sagen.«
»Sir?«
»Schmeißen Sie das andere Ding weg. Dies ist mein Hochzeitsgeschenk für Helen. Schicken Sie mir die Rechnung ins Büro.« Er wandte mir den Rücken zu. Für ihn war ich nicht mehr vorhanden.
»Papa! O Papa!« rief Lucy.
»Ja, Herzchen?«
»Du schenkst Helen das Kleid!« Sie warf mir einen triumphierenden Blick zu.
»Natürlich«, erwiderte er. Wandte sich um und sagte beißend: »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Dietrich.«
»Es war mir ein Vergnügen«, entgegnete Mr. Dietrich. Er war zwar erschüttert, doch er brachte es fertig, so frisch und gutgelaunt wie immer zu wirken.
»Schleier, Blumen, alle Zutaten«, sagte Mr. Brown. »Setzen Sie sie mit auf die Rechnung.«
»Wir werden das Miß Evans überlassen«, erwiderte Mr. Dietrich. »Miß Evans, Sie werden sich ab sofort persönlich um Miß Brown kümmern, ja?«
»Ja, Sir.«
So machen Männer Geschäfte; so regieren sie die Welt, mit einem Fingerschnippen, einem lauten Bellen. Schmeißen Sie das andere Ding weg. Schicken Sie mir die Rechnung ins Büro. Kümmern Sie sich persönlich um Miß Brown. Um Miß Brown kümmern, ja, wie denn? Was ihr sagen? Verzweifelt stand ich da, während Mr. Brown Lucy davonführte, von Mr. Dietrich zum Fahrstuhl geleitet, als seien es Majestäten.
Ich konnte mich nicht beherrschen. Zu Kirkpatrick gewandt explodierte ich: »Mr. Kirkpatrick! Das ist unmöglich! Das ist völlig unmöglich!«
»Was ist unmöglich, Miß Evans?«
»Helen Brown wird dies Kleid nicht als Geschenk von ihrem Vater annehmen.«
»Warum nicht?« fragte er ruhig.
»Erstens heiratet sie einen jungen Arzt, der keinen Pfennig besitzt. Wie kann sie da ein 2500-Dollar-Brautkleid tragen? Zweitens wird sie es mir nicht abnehmen. Ohne auch nur eine Karte dabei, die sagt, von wem es kommt? Ohne ein paar Zeilen? Sie wird es mir an den Kopf werfen! Und was mache ich dann?«
»Zerbrechen wir uns darüber den Kopf, wenn es soweit ist.«
»Aber Mr. Kirkpatrick —«
»Keine Sorge, Miß Evans. Wenn nötig, können Sie auf mich zählen.«
Ich sah ihn an, er gab den Blick zurück. Mein Gott! Der Mann wurde von Minute zu Minute menschlicher.
Alice jammerte: »Miß Evans, ich kann nicht mehr stehen; das Kleid bringt mich um.«
Ich hatte unsere verführerische kleine Ophelia ganz vergessen. »Oh, Alice, tut mir leid! Ich bringe Sie sofort zurück in die Anprobe. — Sieht sie nicht süß aus, Mr. Kirkpatrick?«
»Süß?« wiederholte er, offenbar überrumpelt. »Ja. Ja, tut sie wirklich. Sehr hübsch, Miß Pye.«
Sie lächelte schüchtern. Sie hatte ein offizielles Kompliment verdient. Ich sagte: »Kommen Sie, Alice, gehen wir« und rief gleichzeitig nach meinen übrigen Hilfsmannschaften, Mrs. Buckingham und Mrs. Docherty und Estelle, um mit Hand anzulegen; und just in diesem Augenblick
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