Lauter Bräute

hinauslugte, stand dort Alice, angstbibbernd wie üblich, die zwei Flaschen Kölnisch Wasser in der Hand. Ich nahm eine, schickte sie mit der anderen zu Patsy Cullen, schloß fest die Tür und drehte den Schlüssel um.
    Wir lockerten Marions Wäsche, zogen ihr die Strümpfe aus, legten ihr den Eisbeutel auf den Kopf und betupften sie überall dort mit Kölnisch Wasser, wo es unserer Meinung nach helfen konnte. Plötzlich stöhnte sie. »George, George. Oh, George, George«, und Mrs. Buckingham strahlte mich an und sagte:
    »Da haben Sie’s, meine Liebe. Habe ich Ihnen doch gesagt. Sie hängt noch immer an dem Liederjahn George. Den armen Charlie Wells liebt sie kein bißchen.«
    »Kommt sie zu sich?«
    »So bald noch nicht, fürchte ich. — Sie hat wirklich massige Hüften, nicht wahr?«
    »Können wir sonst noch irgend etwas für sie tun?«
    »Wir könnten ihr sicher etwas Brechwurz geben. Haben wir das im Büro?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Na, Gott sei Dank. Es ist sehr unappetitlich in der Wirkung. Nun machen Sie sich kein Kopfzerbrechen über sie, meine Liebe. Sie sieht stark aus wie ein Pferd und wird keinen Schaden nehmen.«
    Da klopfte es wieder an die Tür, und ich nahm an, daß es noch einmal Alice sein würde. Ohne nachzudenken, schloß ich auf, öffnete die Tür weit und fand mich Aug in Auge mit Kirkpatrick. Er starrte mich an; und dann starrte er an mir vorbei auf die halbnackte, schlaffe Gestalt von Marion Carroll auf ihren drei Stühlen.
    Einmal in meinem Leben handelte ich wirklich schnell. Wie der Blitz schlüpfte ich aus dem Büro und schloß die Tür hinter mir. Miß Carroll war kein Anblick für männliche Augen, auch nicht für die eines Etagenchefs.
    Er sagte laut: »Miß Evans, Ihre Tür war wieder verschlossen.«
    »Ja, das war sie.«
    »Was geht hier vor? Verabreichen wir in der Brautabteilung jetzt auch Massagen?«
    »Das Mädchen in meinem Büro fühlt sich nicht gut.«
    »Oh, tatsächlich? Haben Sie die Sanitätsstation angerufen?«
    »Nein. Sie wird in einigen Minuten wieder in Ordnung sein.«
    Seine Stimme wurde um einige Grade schärfer. »Miß Evans, sind Sie befugt, ärztliche Hilfe zu leisten?«
    Ich antwortete nicht. Voller Bitterkeit dachte ich: So geht es einem, wenn man versucht, die Tochter des Vizepräsidenten zu schützen. Nichts als Nackenschläge.
    »Sind Sie sich darüber klar, daß wir ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, wenn etwas schiefgehen sollte? Wer ist das Mädchen?«
    »Eine Kundin.«
    »Und was ist mit ihr passiert?«
    »Sie ist bewußtlos.«
    »Bewußtlos? Sie meinen, sie wurde ohnmächtig?«
    Ich zögerte. Aber ich mußte es ihm sagen. Er war der Verantwortliche für alles, was in diesem Stockwerk geschah. »Sie war betrunken.«
    »Warum haben Sie mir das nicht sofort gemeldet?«
    »Es tut mir leid. Wir waren so damit beschäftigt, sie wieder zu sich zu bringen.«
    »Sie haben Glück, daß die Sicherheit es mir gemeldet hat. Sie konnten mich erst vor einigen Minuten erreichen, weil ich eine Konferenz mit Mr. Dietrich hatte — zufällig sprachen wir über Ihre Abteilung. Gehört dies Mädchen zu der Gruppe, die ungefähr um drei Uhr ins Haus kam?«
    »Ja.«
    »Wie ich höre, waren sie alle betrunken?«
    »Ja.«
    »Marion Carroll und ihre Freundinnen?«
    Ich seufzte. »Ja.«
    »Wer ist das Mädchen in Ihrem Büro?«
    »Marion Carroll.«
    »Gehen Sie sofort hinein und rufen Sie die Sanitätsstation an. Sie sollen auf der Stelle jemanden heraufschicken.«
    »Mr. Kirkpatrick, ich möchte die Sanitäter lieber nicht anrufen.«
    »Warum nicht?«
    »Keiner kann mehr für Miß Carroll tun. Sie hat zuviel getrunken; Martinis und Grüne Dragoner durcheinander. Und ich möchte nicht, daß die Geschichte die Runde macht. Insbesondere möchte ich nicht, daß Mr. Carroll davon erfährt. Er ist herzkrank.«
    Kirkpatrick sah mich mit grimmiger Aufmerksamkeit an.
    »Stimmen Sie mir zu, Sir?« Schon wieder nannte ich ihn Sir.
    Er beantwortete meine Frage nicht, sondern sagte: »Wo sind die übrigen Mädchen?«
    »In der großen Anprobe.«
    »Ich werde sie mir am besten einmal ansehen.«
    Ich ging voraus, klopfte an die Tür der Anprobe, und Patsy Cullen rief heraus: »Wer ist da?«
    »D’Arcy Evans.«
    Die Tür öffnete sich spaltbreit, ein helles Auge funkelte mir entgegen. »Machen Sie die Tür auf für Mr. Kirkpatrick, Patsy.«
    Sie öffnete sie weit, er trat vor und blickte hinein. Er wurde von ein paar spitzen Schreien begrüßt, und er trat so schnell wieder zurück,