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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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immer Kinderfeste veranstaltet.«
    »Ja, das weiß ich. Er hat Feste veranstaltet und Preise gestiftet. Löffel-Wettläufe und Erdbeertorten und so was. Weil er selber keine Kinder hatte! Er hat oft mit den Kindern geredet und ihnen Bonbons geschenkt. Aber ich weiß nicht, es kam mir so übertrieben vor. Irgendwas hat nicht gestimmt, als seine Frau ihn plötzlich verließ.«
    »Und wann war das?«
    »Ach, vielleicht sechs Monate nachdem das alles angefangen hatte. Drei Kinder waren damals ermordet worden. Lady Starke ist plötzlich nach Südfrankreich gefahren und nie wieder zurückgekommen. Und das passte gar nicht zu ihr. Sie war still und vornehm. Sie ist ihm bestimmt nicht mit einem anderen Mann davongelaufen. Ich sage immer: Sie hat etwas gewusst…«
    »Wohnt er noch hier?«
    »Nicht mehr ständig. Er kommt ein- oder zweimal im Jahr. Miss Bligh kümmert sich ums Haus. Sie war seine Sekretärin.«
    »Und seine Frau?«
    »Die arme Seele ist tot. Sie ist jung gestorben. In der Kirche ist eine Gedenktafel. Für sie muss das furchtbar gewesen sein. Vielleicht war sie erst nicht sicher, dann hat sie Verdacht geschöpft, und dann wusste sie es. Sie konnte es nicht mehr aushalten und hat ihren Mann verlassen.«
    »Was ihr Frauen euch alles einbildet!«, stöhnte Mr Copleigh.
    »Ich sage ja nur, dass mit Sir Philip etwas nicht gestimmt hat! Er hatte Kinder zu gern. Und ich meine, dass das sehr unnatürlich war.« Mrs Copleigh stand auf und räumte den Tisch ab.
    »Wird auch Zeit«, sagte ihr Mann. »Die arme Dame bekommt noch Angstträume, wenn du weiter über Dinge redest, die ewig her sind und keinen mehr interessieren.«
    »Ach, mich hat es schon interessiert«, sagte Tuppence. »Aber jetzt bin ich müde. Ich glaube, ich gehe schlafen.«
    »Wir gehen auch immer früh zu Bett. Soll ich Sie wecken? Und möchten Sie eine Tasse Tee? Um acht Uhr?«
    »Oh, das wäre schön. Ist es nicht zu viel Mühe?«
    »Aber gar nicht«, sagte Mrs Copleigh.
    Tuppence schleppte sich nach oben und fiel ins Bett. Sie war wirklich todmüde. Alles, was sie gehört hatte, ging ihr in Schreckensbildern durch den Kopf. Tote Kinder – zu viele tote Kinder. Sie brauchte nur ein totes Kind hinter einem Kamin. Vielleicht war es der Kamin von Wasserwiese. Die Puppe des Kindes. Ein Kind war von einer jungen Frau getötet worden, die den Verstand verloren hatte, weil ihr Geliebter sie hatte sitzen lassen.
    Tuppence schlief und träumte… Eine weiße Frau sah aus dem Fenster. Vom Kamin kam ein kratzendes Geräusch. Dann erschallten Schläge hinter einer Eisenplatte. Hämmernde Schläge. Es hämmerte, hämmerte, hämmerte… Tuppence wachte auf. Mrs Copleigh klopfte an ihre Tür. Sie kam fröhlich herein, stellte den Tee neben das Bett, zog die Vorhänge auf und hoffte, dass Tuppence gut geschlafen hätte. Noch nie, fand Tuppence, hatte jemand so fröhlich ausgesehen wie Mrs Copleigh. Aber sie hatte auch keine schrecklichen Träume gehabt.

9
     
    E he Tuppence das Zimmer verließ, schrieb sie alle Namen und Begebenheiten auf, die sie am vergangenen Abend erfahren, aber wegen ihrer allzu großen Müdigkeit nicht mehr notiert hatte. Schauergeschichten aus der Vergangenheit, die vielleicht ein Körnchen Wahrheit bargen, im Großen und Ganzen aber aus Klatsch und Tratsch, Bosheit und wilden Phantastereien bestanden. Das schreckliche ist nur, dachte Tuppence, dass ich nun mittendrin stecke und nicht mehr aufhören kann.
    Da sie den Verdacht hatte – er stellte sich als berechtigt heraus, dass die erste Person, mit welcher sie zu tun bekommen würde, nur Miss Bligh sein konnte, die allgegenwärtige Gefahr von Sutton Chancellor, wich sie allen Hilfsangeboten aus und machte sich sofort auf den Weg nach Market Basing. Aber sie kam nicht weit, denn schon stürzte sich die gefürchtete Dame mit schrillem Rufen vor das Auto. Tuppence trat auf die Bremse und erklärte, dass sie eine dringende Verabredung habe. – Wann sie zurück sei? – Tuppence konnte es nicht sagen. – Zum Lunch vielleicht? – Das wäre sehr freundlich von Miss Bligh, aber Tuppence fürchtete…
    »Oh, dann kommen Sie zum Tee. Ich erwarte Sie um halb fünf.« Das war schon fast ein Befehl. Tuppence lächelte, nickte, schaltete den Gang ein und fuhr davon.
    Vielleicht, überlegte Tuppence, konnte sie von Nellie Bligh zusätzliche und nützliche Auskünfte erhalten. Sie gehörte zu den Frauen, deren Stolz darin liegt, alles über alle zu wissen. Das unangenehme war nur, dass sie ihrerseits

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