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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gedacht.«
    »Schreibtisch?«
    »Ja, an den, der mit den anderen Sachen gekommen ist. Familienerbstücke. Sagten Sie nicht so, Sir?«
    »Er hat meiner Tante gehört.«
    »Aber das meine ich doch die ganze Zeit, Sir. Und da muss man nach Spuren suchen. In alten Sekretären.«
    »Ja, vielleicht«, murmelte Tommy.
    »Mich geht es ja nichts an, das weiß ich. Und ich hätte sicher nicht einfach drangehen dürfen, Sir. Aber Sie waren ja fort, und da konnte ich nicht widerstehen, ihn mir anzusehen.«
    »Wen? Den Sekretär?«
    »Ja, um nach einer möglichen Spur zu suchen. Solche Schreibtische haben doch immer Geheimfächer…«
    »Möglich wäre das.«
    »Eben. Und in dem Geheimfach könnte eine Spur verborgen sein.«
    »Ein angenehmer Gedanke«, sagte Tommy. »Aber warum sollte meine Tante Ada etwas in einem Geheimfach verstecken?«
    »Alte Damen sind unberechenbar. Die verstecken gern etwas, wie Dohlen oder Elstern. Es könnte doch ein geheimes Testament da sein oder ein Brief, der mit unsichtbarer Tinte geschrieben ist, oder vielleicht ein Schatz.«
    »Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Albert. Ich bin überzeugt davon, dass nichts dergleichen in unserm guten, alten Familienstück versteckt ist. Er hat meinem Onkel William gehört, der mürrisch, stocktaub und bösartig war.«
    »Aber nachsehen könnte man ja mal«, sagte Albert. »Er müsste nämlich sowieso mal richtig sauber gemacht werden.«
    Tommy zögerte. Er erinnerte sich, mit Tuppence flüchtig alle Schubladen durchgesehen zu haben. Sie hatten die Papiere in zwei große Umschläge gesteckt und den Inhalt der unteren Schubladen – Kopfkissenbezüge, alte Strickjanker, Wollreste und eine schwarze Samtstola – ausrangiert. Die Papiere hatten sie dann zu Hause sortiert. Es war nichts Interessantes dabeigewesen.
    »Wir haben schon alles nachgesehen, Albert. Es waren nur alte Briefe da, ein paar Kochrezepte, Lebensmittelkarten aus dem Krieg und ähnliches Zeug.«
    »Ach das«, sagte Albert abfällig, »ist nur gewöhnlicher Papierkram. Das findet man in jedem Schreibtisch. Ich meine Geheimnisse. Als ich jung war, habe ich ein halbes Jahr bei einem Antiquitätenhändler gearbeitet. Ich habe ihn bei seinen Fälschungen unterstützt. Seither kenne ich mich mit Geheimfächern aus. Die haben immer ein bestimmtes System. Es gibt nur ein paar Methoden, und die sind selten abgewandelt. Wollen Sie nicht selbst mal nachsehen, Sir? Ich möchte das nicht ohne Sie machen.« Er betrachtete Tommy mit bettelndem Hundeblick.
    »Na, dann kommen Sie, Albert«, gab Tommy nach.
    Als er vor Tante Adas Erbstück stand, dachte er: Er ist wirklich schön. Und so gut gearbeitet. Heute kann das keiner mehr. »So, nun zeigen Sie mal, was Sie können. Aber gehen Sie sanft mit ihm um!«
    »Oh, Sir, ich würde nie mit einem Messer herumstochern, nie. Erst machen wir die Klappe auf und ziehen diese beiden Stäbe heraus. Auf ihnen liegt die Klappe. Ihre Tante Ada hatte einen wunderschönen Löscher aus Perlmutt. Ich habe ihn in der linken Schublade gefunden.«
    »Da sind nur diese beiden Fächer«, sagte Tommy. Er zog zwei von zierlichen Säulen verdeckte, senkrechte Fächer heraus.
    »Ach, die. Ja, die sind für Schreibpapier, aber Geheimfächer sind das nicht. Der üblichste Platz ist hier das Mittelfach – unter dem Boden ist ein Hohlraum. Man schiebt den Boden zurück und hat darunter eine Vertiefung. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Dieser Sekretär gehört zu der Sorte, in der unten eine Art Mulde ist.«
    »Die ist aber auch nicht sehr geheim. Man schiebt doch nur die Leiste zurück.«
    »Ja, und dann glaubt man, man hätte alles entdeckt. Aber das ist noch längst nicht alles. Sehen Sie diesen kleinen Holzblock, der wie eine Kante aussieht? Den kann man hochziehen!«
    »Ja«, sagte Tommy. »Und jetzt ziehen Sie ihn mal hoch.«
    »Und dahinter haben Sie ein Geheimfach.«
    »In dem nichts ist.«
    »Ich gebe zu, es sieht enttäuschend aus«, sagte Albert. »Aber wenn Sie die Hand hineinschieben und nach rechts oder links fassen, dann finden Sie auf jeder Seite eine kleine Schublade. Aus dem oberen Rand ist ein kleiner Halbkreis herausgeschnitten, durch den man den Finger steckt und nach vorn zieht…« Während Albert dies sagte, verdrehte sich sein Handgelenk wie das eines Schlangenmenschen. »Sie klemmen manchmal. Warten Sie… So. Jetzt.«
    Alberts gekrümmter Zeigefinger zog eine kleine Schublade vor. Er nahm sie heraus und legte sie vor Tommy nieder. Er sah wie ein Hund aus, der

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