Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
Vom Netzwerk:
gut wie erwachsen. »Das nächste Mal werde ich dabeisein«, raunte er zurück.
    Sie lächelte ihn an.
    Jemand schob sie ins Klassenzimmer. »Als ob ihr dafür nicht nach der Schule genügend Zeit hättet.«
     
    Von diesem Tag an war Pa wie ausgewechselt. Zwar war er jetzt häufig unterwegs, aber in den wenigen Stunden, die er seiner Familie widmete, strahlte er eine fast heitere Gelassenheit aus, er benahm sich wie einer, der sich seiner Aufgabe ebenso bewußt ist wie der unumstößlichen Gewißheit, daß er sie lösen wird.
    Manche der Dinge, die in jener Zeit in Iverton geschahen, trugen unverkennbar seinen Stempel. An einem Freitagabend explodierte vor dem Eingang des Dragons Palace, einer Bar, in der sich vor allem englische Soldaten zu amüsieren pflegten, eine Autobombe. Die Druckwelle riß die halbe Vorderfront des Erdgeschosses ein. Es gab Tote und Verletzte, wobei die Opfer nicht nur unter den Gunslingern zu suchen waren. Eine nächtliche Streife geriet drei Tage später in eine Gaswolke und mußte mit schweren Vergiftungen in das Lazarett von Belfast gebracht werden, und ab und zu verschwanden Leute spurlos, von denen man wußte, daß sie mit den Engländern zusammenarbeiteten.
    Philipp fühlte sich bei diesen für Iverton neuen Aktivitäten nicht ganz wohl, er rechnete damit, daß eines Tages Wolken unbekannter Stoffe in den Ort driften würden, ähnlich wie es damals in Calman’s Edge geschehen war.
    Aber das waren nicht seine einzigen Bedenken. Diese spontanen Einzelaktionen erschienen ihm nicht besonders sinnvoll, es war, als versuche man, einen Eisenbahnwaggon mit Faustschlägen in Bewegung zu setzen.
    Mit seinem Vater sprach er darüber nicht. Er hatte mehrmals angedeutet, ihm sei sehr an einer Teilnahme an den nächtlichen Beratungen gelegen, doch Pa hatte nur den Kopf geschüttelt und erklärt, daß er damit noch ganz gut ein Jahr warten könne. Mut sei zwar eine feine Sache, aber jugendlicher Übermut könne sich als schädlich erweisen. Und nicht nur für den Übermütigen selbst. Hätte er Pa Vorhaltungen über dessen anarchistische Auffassung von Opposition gemacht, dann konnten aus dem einen Jahr leicht zwei oder drei Jahre werden. Pa ließ sich nicht gern belehren.
    So verbrachte Philipp einen Großteil seiner freien Zeit mit Sandy. Ihr bevorzugter Treffpunkt blieben die Klippen gegenüber von Kintyre, unterhalb der englischen Energiestation.
     
    Es war an einem der ersten kühlen Herbstabende, als sie die Säule sahen. Das Meer war an diesem Abend dunkelgrau, fast schwarz, ein kühler Ostwind trieb es gischtend gegen die Klippen unterhalb des Hanges. Die Luft war angefüllt mit seinem an- und abschwellenden Brausen und dem Lärm der Wellen.
    Sie hielten sich an den Händen und blickten hinaus auf das Wasser, jenseits dessen nichts war; ausgelöscht von der Dunkelheit Kintyre und Rathlin Islands, verschwunden wegen der schießwütigen Gunslinger die Boote der Schmuggler und die Kähne der Fischer. Hoch über den Klippen zog ein Seeadler seine Kreise, hin und wieder heftig attackiert von einzelnen Krähen und Möwen.
    »Wie stolz dieser Adler dort oben kreist. Ist es nicht ein herrlicher Anblick, Phil?«
    »Er weiß, daß er der Stärkste ist. Da fällt es nicht schwer, stolz auszusehen.«
    »Aber die Krähen mögen ihn nicht.«
    »Sie werden wissen, weshalb.«
    »Weil er stärker ist, nicht? Man ärgert sich, wenn einer stärker ist.«
    »Ich weiß nicht, ob es daran liegt. Ich glaube, es ist, weil er in ihren Brutrevieren räubert.«
    »Mag sein! Aber stolz sieht er trotzdem aus.«
    »Die Krähen werden ihn schon vertreiben.«
    »Bestimmt werden sie das. Sie sind in der Überzahl.«
    »Und sie wollen, daß er ihre Brut in Ruhe läßt. Es ist ganz genau, wie mit… Was ist das?«
    Über ihnen war plötzlich ein hohles Röhren. Es kam durch die Geräusche des Wassers und des Windes zu ihnen herab wie etwas ganz Fremdes, Gefahrverheißendes, wie etwas, was nicht in ihre Welt gehörte. Gleichzeitig fiel ein diffuses weißes Licht auf den Hang und warf einen bleichen Schimmer auf ihre Gesichter. Und auch dieses Licht war anders als jedes, das sie kannten, gehörte nicht in ihre Welt.
    Sie fuhren herum, blickten nach oben, und sie sahen eine gewaltige Säule aus weißem Licht. Sie war wie ein gigantischer, grellglühender Pfahl, den ein sagenhafter Riese auf der Kuppe der Klippen senkrecht in den Fels gerammt hatte. Sie konnten das Licht bis hinauf in die Wolken verfolgen, nein, noch höher

Weitere Kostenlose Bücher