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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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jemanden, mit dem er über all diese Zweifel und Zwänge reden kann, einen, der ihm sympathisch ist, soweit ein Commander solche Gefühle in sich aufkommen lassen darf.
    »Sicherlich hat auch die Angst eine Rolle gespielt, Sir«, sagst du zögernd.
    »Angst als Grund für Sabotage und Selbstmord? Ist das wirklich dein Ernst?« Seine Stimme ist ruhig, fast wie im Selbstgespräch, und außerdem ist er wieder einmal zum vertrauteren Du übergegangen. Das geschieht bei ihm ohne Absicht, aus dem von ihm selbst vielleicht unbemerkten Wunsch heraus, dem anderen näherzukommen. Jetzt kannst du sicher sein, daß er nicht beabsichtigt, dich in einen Hinterhalt zu locken.
    »Ich sagte: ›auch die Angst‹, Sir. Nicht ausschließlich. Aber ich habe Leute gekannt, die aus Furcht vor dem Tod Selbstmord begangen haben.«
    »Eine ziemlich abstruse Idee, nicht?«
    »Unser Handeln ist nicht immer rationalen Kategorien unterworfen, Commander. Das wissen Sie so gut wie ich. Wir neigen dazu, Dinge zu tun, die uns das Gefühl diktiert und die manchmal widersinnig erscheinen, wenn man sie später bewertet. Weil wir Menschen sind, Sir. Würden wir jede unserer Handlungen vorher auf ihren Sinn untersuchen und dann nur das Vernünftige tun, wir wären erstens keine Menschen mehr und zweitens…«
    »Ja, zweitens, Phil?«
    »Zweitens gäbe es keine Verbrechen, keinen Streit, keine Auseinandersetzungen, keine…, auch keine Kriege, Sir. Denn wenn man Vernunft, Sinn und Effektivität als Maßstäbe setzte, dann…«
    Glenn Morris winkt ab. »Ich weiß, ich weiß!« sagt er. »Eine uralte Kiste! Das Tier steckt in uns, nach wie vor. Was soll das?«
    »Aber wir sind doch aus den Tieren hervorgegangen, Sir. Und sehr weit von ihnen entfernt haben wir uns weiß Gott noch nicht. Evolutionär und vor allem genetisch betrachtet…«
    »Hör auf damit! Du mußt mir nicht beibringen wollen, daß ich Ähnlichkeit mit einem Affen habe. Und daß ich manchmal ganz ähnlich wie ein Affe reagiere.« Er fährt mit beiden Händen demonstrativ und ausgiebig durch die dunkelgrauen Locken auf seiner Brust. »Da! Siehst du? Aber das ist nicht unser Thema. Und laß endlich das Sie weg. Wenigstens hier in meiner Kabine. Hier kann uns niemand hören. – Also Angst, sagst du. Angst! Und was noch?«
    »Vielleicht Widerstand gegen Gewalt.«
    Da blickt er auf, und seine Augen werden ganz schmal. »Ah!« sagt er. »Widerstand gegen Gewalt! Haben wir denn Gewalt angewendet? Wo und gegen wen?«
    »Haben wir denn nicht Sonden gestartet, die Krankheitserreger in sich trugen, Seuchen, den Tod? Haben wir das nicht? Und ist das etwa keine Gewalt?«
    Seine Wangenknochen werden plötzlich spitz, unheimlich scharf zeichnen sie sich unter der Haut ab. Etwas ist jetzt in ihm, was sein Gesicht verändert hat. »Nein!« sagt er laut, offenbar um Fassung kämpfend. »Das war keine Gewalt. Das waren Tests. Nichts anderes. Medizinische Tests, hörst du? Sie sind notwendig. Für unser Land, für dich und mich! So ist das!«
    Du hast das bestimmte Gefühl, daß sich um dich ein Netz zusammenzieht, enger und immer enger. Und du weißt, daß du diesem Netz nur entrinnen kannst, wenn du schweigst, schluckst. Auch das Wort von den medizinischen Tests. Stell dich tot, Philipp!
    Aber du bist keine Maschine, die sich abschalten ließe. »Medizinische Tests?« fragst du, und die Stimme zittert dir vor Erregung. »An Menschen? Das gab es schon einmal, Sir. Erinnern Sie sich, was man Sie über jene Zeit in der Schule gelehrt hat? Wie die Welt solche Tests beurteilt und jene, die dafür verantwortlich sind? Ich bin sicher, Commander, daß man über uns dasselbe sagen wird.«
    »Weiter!« zischt Glenn Morris. »Sprich nur weiter!«
    »Nichts weiter, Commander. Bergerson und Liliana Brix haben sich dieser Last entledigt. Jeder auf seine Weise. Das ist alles.«
    Da springt er auf, hochrot im Gesicht. »Ja, sind wir denn Verbrecher, Mensch?« schreit er. »Wirfst du mir und dir vor, daß wir mit unserem Leben für Millionen unserer Landsleute einstehen? Wer oder was bist du, Philipp McBruns?«
    Das Netz ist zu. Du hast ihm einen Blick in dein Inneres gestattet, und was er dabei gesehen hat, muß ihn entsetzt haben.
    Steh auf, Philipp, geh! Noch ist es vielleicht nicht zu spät. Geh auf deinen Leitstand und lege den kleinen, kaum fingernagelgroßen Schalter um. Danach magst du dich irgendwo verkriechen. Der nächste Schuß, einerlei, wer ihn abfeuert, der Zweite Leitoffizier, Morris selbst oder Newman,

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