Lautlos im Orbit (1988)
Einsatzdauer und Lehrgängen, und während er Frage um Frage stellt, die Antworten knapp kommentiert, nachhakt und vertieft, gewinnt er nach und nach seine Haltung und seinen gewohnten Ton zurück.
Spätestens seine abschließenden Anweisungen lassen kaum noch vermuten, daß er soeben ein tiefes Tal seines Selbstbewußtseins durchschritten hat. »Ihr Einsatz erfolgt nach dem bestätigten Internplan der Forschungsgruppe«, befiehlt er. »Dabei absolviert Lieutenant Taylor ihre ersten beiden Flüge als Kopilot. Erst danach beginnen Sie selbständig zu handeln, Lieutenant. Jeder Flug ist bei mir persönlich anzumelden. Lieutenant, Sergeant! Bin ich verstanden worden?«
Das doppelte: »Jawohl, Commander! Befehl verstanden!« scheint ihn vollends zufriedenzustellen.
Die Arrows sind wohl um einiges schneller und manövrierfähiger als die Odin, was vor allem eine höhere Flugbahn und schnellere Bahnkorrekturen ermöglicht, aber auch sie unterliegen den bereits von Kepler erkannten Gesetzen der Himmelsmechanik. Bahnhöhe und Geschwindigkeit bedingen also auch bei ihren Bewegungen einander. Das macht die Navigation eines solchen Flugkörpers letzten Endes zum Rechenexempel, erfordert ein hohes Maß an Computertechnik und damit Mindestabmessungen, die auch durch die Miniaturisierung der Elektronik kaum zu unterschreiten sind. Um diese grundsätzlichen Erfordernisse kommen auch die Konstrukteure eines so schnellen Jägers wie der Space Arrow nicht herum.
Trotzdem ist der erste Flug sehr beeindruckend. Vor allem infolge der direkten Sicht, die durch die Metallglaskanzel ermöglicht wird.
Während des Starts waren die Blenden noch geschlossen. Jetzt, nachdem die Maschine von der Odin abgelegt hat, klappen die Schutzschalen in besondere Rumpftaschen in Richtung Heck zurück, es ist, als blicke man aus einer sich öffnenden, überdimensionalen Apfelsinenschale hinaus ins All. Der Eindruck ist wesentlich unmittelbarer als bei Sicht über die Schirme. Schwarz das All, das jetzt unheimlich tief und wirklich ohne Ende erscheint. Man meint in einen dunklen Brunnenschacht zu fallen. Pastellen die Wölbung der Erde, tote, gelbe Augen die Sterne und die Sonne eine glühendweiße Scheibe. Am meisten macht der Wechsel der Helligkeit zu schaffen, wenn Donald Morgan eins seiner Manöver fliegt, meist eingeleitet durch eine schnelle Lageänderung bei gedrosselten Triebwerken, nachfolgendem Vollschub und anschließender Bahnkorrektur. Ähnlich belastend der Wechsel der künstlichen Gravitation, die infolge der Lage- und Geschwindigkeitsänderungen in Größe und Richtung schwankt. Manchmal ist es, als wollten die einzelnen Moleküle des Körpers in das Material der Rücken- und Seitenschalen des Konturensessels diffundieren. Wahrscheinlich deshalb die hauteng anliegenden Skaphander, in denen der Körper eingepfercht ist, als befände man sich bis zum Hals in einer Hochdruckkammer.
Und doch ist der Flug ein Erlebnis. Auch, weil es sich für Philipp um eine völlig neue geistige und körperliche Erfahrung handelt.
Die Station ist längst zurückgefallen in die Dunkelheit des Alls, nun gleiten sie einsam dahin, ein Stern unter Sternen, ein Meteor jenseits irdischer Gesetze.
Obwohl sich Radar- und Röntgenfächer ihrem Flug vorantasten und die Umgebung mit ihren Strahlen absuchen wie mit Tausenden feinfühliger Finger, blicken sie angestrengt durch die Metallglaswölbung der Kanzel, hoffend, irgendwann einen der geheimnisvollen Orbiter entdecken zu können, die nach ihrer Meinung noch immer auf der Bahn der Odin operieren. Sie sind überzeugt, daß deren Verschwinden nur auf einem technischen Trick beruhen kann, was bedeuten würde, daß sie sich der direkten Sicht nicht entziehen könnten.
Nach einer Stunde sind sie erschöpft vom andauernden Starren, vom Wechsel der Eindrücke und von der Belastung, die Augen tränen, und die Muskeln beginnen zu schmerzen. Lediglich der Pilot, Donald Morgan, läßt keine Anzeichen nachlassender Konzentration oder Kraft erkennen. Sein Gesicht hinter der Helmscheibe hat sich in dieser Stunde ein wenig gerötet.
Da erteilt Philipp McBruns den Befehl zur Rückkehr.
Morgan wendet die Arrow auf der Stelle und gibt danach sofort Vollschub, der Magen hebt und senkt sich in konvulsivischen Zuckungen, Schweißausbruch auf Stirn und Wangen, dann haben sich die Verhältnisse normalisiert, lediglich das Peilauge, ein kreuzförmig durchgestrichener Kreis, der den derzeitigen Aufenthaltsort der Odin signalisiert,
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