Lautlose Jagd
denn je, Herr Präsident«, sagte Kim nachdrücklich. »Wir haben nicht sicher gewusst, ob die Chinesen Seoul und Pusan angegriffen haben - diesmal steht fest, dass sie über die Grenze vorgestoßen sind. Sie haben unsere Flugzeuge angegriffen und unsere Vorposten überrannt; sie versuchen offenbar, unsere Waffenlabors einzunehmen. Das dürfen wir nicht zulassen! Aber unsere Forschungseinrichtungen müssen intakt bleiben. Das ist nur durch den Einsatz von Spezialwaffen zu erreichen.
Die Wirkung von Angriffen mit chemischen Waffen oder Neutronenwaffen bleibt auf ein sehr kleines Gebiet beschränkt«, fuhr Kim fort. »Das Nervengas Vx ist hoch wirksam, aber es zersetzt sich rasch, was bedeutet, dass unsere Truppen schon nach wenigen Tagen ungefährdet ins Zielgebiet einrücken können. Subatomare Waffen entwickeln im Umkreis von einigen hundert Metern um den Nullpunkt große Zerstörungskraft, aber außerhalb dieses Gebiets treten praktisch keine Sachschäden auf. Sie wirken im Umkreis von drei Kilometern tödlich und rufen im Umkreis von sechs Kilometern Verletzungen hervor, ohne Gebäude und Anlagen zu beschädigen. Wir können...«
»Ich kann nicht glauben, dass wir überhaupt darüber diskutieren!«, rief Präsident Kwon. »Das ist verrückt! Das ist Wahnsinn!«
»Herr Präsident, die Chinesen haben gewusst, welchen Gefahren sie sich durch diese Invasion aussetzen«, sagte Kim. »Schlagen wir nicht sofort mit geballter Kraft zurück, riskieren wir, dass die Chinesen unsere Forschungsstätten, die Provinz Chagang Do und danach vielleicht ganz Korea erobern. Was haben Sie also vor, Herr Präsident?«
Präsident Kim zögerte. »Welche Meldungen liegen von unseren Truppen in Kanggje vor?«, fragte er. »Sind sie gefangen genommen? Gefallen? Welchen Umfang hat der chinesische Vorstoß?«
»Aus Kanggje kommen weiterhin keine Meldungen«, berichtete Kim, »aber unsere Luftaufklärung zeigt, dass starke chinesische Infanterie- und Panzerverbände an vielen Stellen die Grenze überschreiten. Je länger wir warten, Herr Präsident, desto schwieriger wird es, die Angreifer zurückzuschlagen.«
Der Verteidigungsminister hörte Kwon laut fluchend mit der Faust auf seinen Schreibtisch schlagen, während er versuchte, Ordnung in das Chaos aus Ängsten und Emotionen in seinem Inneren zu bringen. Der Angriff auf Pusan hatte ihn dazu gezwungen, schwere Ve rgeltungsschläge gegen die chinesischen Verbände im Raum Changbai zu genehmigen - aber dieser Fall lag anders, völlig anders.
»Ich... darüber muss ich erst nachdenken«, murmelte Kwon unbehaglich. »Ich brauche mehr Informationen. Rufen Sie mich an, sobald Sie mehr über den Status unserer Truppen im Raum Kanggje wissen und genauere Angaben über die chinesischen Invasionstruppen in Chagang Do haben.« Er legte auf, bevor Kim etwas hinzufügen konnte.
»Verdammter Feigling!«, fluchte Kim, als er den Hörer auf die Gabel knallte. »Wir haben gewaltig viel riskiert, um die Halbinsel wieder zu vereinigen; wir besitzen die Mittel, um sie zu halten oder jeden zurückzuschlagen, der sie uns wegnehmen will - aber jetzt reagiert Kwon zögerlich und ängstlich. Ausgerechnet jetzt bekommt er kalte Füße!« Er stand auf und ging vor seinem Schreibtisch auf und ab. »Lässt Kwon zu, dass die chinesische Volksbefreiungsarmee sich in Chagang Do festsetzt«, sagte er zu General An, »wäre es nach dem Abzug fast aller US-Truppen nur noch eine Frage der Zeit, wann sie die gesamte Halbinsel kontrollieren würden.«
»Erkennt er nicht, in welch gefährlicher Lage wir uns befinden?«, fragte An rhetorisch. »Die beiden letzte Nacht abgebrochenen Raketenstarts, die unbestätigten Meldungen über einen Bomber über Mittelkorea und jetzt Flugzeuge und Panzer südlich der Grenze - das alles weist eindeutig auf eine beginnende chinesische Invasion hin.« Er sah zu Kim hinüber, dann sagte er: »Herr Minister, vielleicht würde es sich lohnen, den Ministerpräsidenten und den Außenminister aufzusuchen. Vielleicht können wir sie davon überzeugen, wie wichtig es ist, sofort zu handeln.«
Kim blieb stehen und starrte den Generalstabschef prüfend an.
»Interessant«, sagte er nach einer nachdenklichen Pause. »Und was ist, wenn die beiden mit uns übereinstimmen, General? Wenn sie wie wir der Ansicht sind, dass ein kraftvoller Gegenschlag geführt werden muss?«
»Dann... dann sollten wir handeln«, antwortete An. Was er sagte, klang freimütig, aber doch nüchtern — nur sein Blick
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