Lautlose Jagd
verriet mehr Engagement, weit mehr Elan. »Wir sollten tun, was zum Schutz der Republik erforderlich ist.«
»Und was ist mit Präsident Kwon?«
»Der Präsident ist ein wahrer Patriot, ein wahrer Visionär, die Verkörperung des Geistes des koreanischen Volkes«, sagte An.
»Ich bewundere diesen Mann, der die Revolution gelenkt und die lange ersehnte Wiedervereinigung verwirklicht hat. Aber wenn es ihm an Kampfgeist mangelt, sollte er bereit sein, zur Seite zu treten, damit an seiner Stelle die Krieger über das Schicksal der Vereinigten Republik Korea entscheiden können.«
»Man merkt, dass Ihre Worte von Herzen kommen, General«, stellte Kim fest. »Ich stimme völlig mit Ihnen überein. Aber was ist, wenn er nicht beiseite treten will?«
»Dann«, sagte An einfach, als spreche er von einer offenkundigen Tatsache, »sind wir durch unseren Eid verpflichtet, den Befehl zu übernehmen.«
Oval Office im Weißen Haus;
Washington, D.C.
(einige Stunden später)
»Dieser Invasion ging keine Provokation voraus, sie ist völlig ungerechtfertigt und könnte einen weltweiten Atomkrieg auslösen!«, donnerte der Präsident der Vereinigten Staaten. Bei ihm im Oval Office waren Sicherheitsberater Freeman, Verteidigungsminister Chastain, der Vorsitzende der Vereinten Stabschefs Balboa und Vizepräsidentin Whiting. Er sprach mit Zhou Chang-li, dem chinesischen Botschafter in Washington. »Wir können von Glück sagen, dass Präsident Kwon keinen Gegenangriff befohlen hat.«
»In der Tat«, antwortete Botschafter Zhou. Der Diplomat - mit 61 Jahren recht jung für einen Führungsposten im chinesischen diplomatischen Dienst - wirkte geistesabwesend und gelangweilt.
»Der hätte das endgültige Aus für die Vereinigte Republik Korea bedeutet, denke ich.«
»War das scherzhaft gemeint, Herr Botschafter?«
»Nein, Sir. Ich habe nur eine Tatsache festgestellt«, erwiderte Zhou gleichmütig. »Die illegale Regierung der Republik Korea hat ein Abkommen über den Abzug ausländischer Streitkräfte unterzeichnet. Dazu gehörte, dass unsere Truppen nicht aufgehalten oder durchsucht werden durften. Dagegen hat Korea verstoßen.
Zweitens war vereinbart, es dürfe keine weiteren Feindseligkeiten geben. Korea hat auch dieses Abkommen gebrochen und...«
»Korea hat geglaubt, es sei von China angegriffen worden«, warf Philip Freeman ein. »Das war ein tragischer Irrtum - aber eben nur ein Irrtum, kein bewusster Akt der Aggression.«
»Das sehen wir bei allem Respekt anders, General Freeman«, sagte Zhou. »Kwon hat unsere Truppen überfallen lassen, um seine Macht zu demonstrieren. Er hat genau gewusst, dass die angegriffenen Verbände keine ballistischen Raketen besaßen - unsere Raketentruppen, selbst die mobilen Einheiten, stehen weit hinter der Grenze. Er nimmt wenig Rücksicht auf Menschenleben. Sein Überfall war eine abscheuliche Tat, für die er bestraft zu werden verdient.«
Martindale schüttelte den Kopf. »›Doppeltes Unrecht ergibt kein Recht‹, besagt ein altes Sprichwort, Herr Botschafter«, antwortete er. »Ich rede von Kanggje, von der Provinz Chagang Do. Chinesische Soldaten sind an mehreren Stellen zu Zehntausenden über die koreanische Grenze vorgestoßen. Sie haben Teile dreier Provinzen besetzt und die Straßen- und Nachrichtenverbindungen zu drei koreanischen Großstädten unterbrochen. China scheint den Vereinigungsvertrag brechen und Korea besetzen oder vernichten zu wollen. Welche Rechtfertigung gibt es für das alles?«
»Wir machen uns natürlich Sorgen wegen etwaiger Vergeltungsmaßnahmen Südkoreas«, sagte Zhon, als liege diese Antwort auf der Hand. »Präsident Kwon und seine Berater sind offenbar geistesgestört. Er hat den bedauerlichen Raketenangriff nordkoreanischer Rebellen auf seine Großstädte als Entschuldigung für einen feigen Überfall auf friedliche chinesische Grenztruppen benutzt. Alle Welt weiß, dass dieser Raketenangriff völlig ungerechtfertigt war. Die Raketen, die seine Großstädte getroffen haben, sind nicht aus China gekommen. Trotzdem hat er einen Raketenangriff befohlen, der Tausende von Opfern, von denen die meisten in ihren Betten schliefen, gefordert hat. Das war eine unglaublich barbarische Tat, für die Kwon zur Rechenschaft gezogen werden muss!
Wir sind verständlicherweise besorgt, er könnte als Nächstes unsere Zivilbevölkerung mit Raketen angreifen.«
»Deshalb haben Sie beschlossen, als Vergeltungsmaßnahme gleich drei koreanische Provinzen zu besetzen?«,
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