Lautlose Jagd
General An. »Unsere Aufklärungsflüge ergeben folgendes Bild: mindestens ein Bataillon Infanterie und zwei Bataillone Panzer greifen Kanggje an; drei, vielleicht vier weitere Bataillone Panzer und zwei Bataillone Infanterie stoßen aus J'an und Waichagoumen nach Süden vor. Hauptsächlich leichte Panzerverbände und schnell bewegliche motorisierte Infanterie, die aber durch starke Fliegerkräfte, Kampfhubschrauber und schwere Panzer unterstützt werden.«
»Halten Sie es für möglich, dass die Chinesen kommunistischen Rebellen innerhalb Koreas zur Hilfe kommen wollen?«, fragte Kim.
»Vielleicht ist dieser Vorstoß zeitlich mit den beiden Raketenstarts abgestimmt, die letzte Nacht über der Provinz Hwanghae zur Selbstzerstörung der von den Rebellen abgeschossenen Raketen geführt haben.«
»Durchaus möglich«, bestätigte An. »Kim Jong-il schwingt von Peking aus immer bombastischere Reden. Er hat den Rebellen zum Abschuss ihrer Raketen gratuliert und jedem, der gegen uns kämpft, chinesische Hilfe versprochen. Wollte er mit Unterstützung Chinas eine Gegenoffensive beginnen, wäre die Provinz Chagang Do der beste Ausgangspunkt dafür.«
»Sie haben es auf die Waffenlabors abgesehen«, stellte Kim fest, während er nach dem Hörer des Telefons griff, das ihn direkt mit dem Blauen Haus, dem Präsidentenpalast in Seoul, verband. »Besetzen sie diese Einrichtungen, erbeuten sie große Mengen ABC-Waffen und machen uns die Entwicklung weiterer Waffen dieser Art unmöglich.«
»Das dürfen wir nicht zulassen!«, sagte An nachdrücklich.
»Wir haben zu schwer gekämpft, um uns alles so schnell wieder entreißen zu lassen! Wir müssen handeln! Wir...«
»Präsident Kwon«, meldete der Präsident der Vereinigten Republik Korea sich am Telefon.
Kim hob eine Hand, um den Generalstabschef zum Schweigen zu bringen. »Herr Präsident, hier General Kim. Ich rufe aus dem Verteidigungsministerium an. Soeben wird gemeldet, dass chinesische Truppen in die Provinz Chagang Do einmarschiert sind. Sie scheinen Kanggje eingenommen zu haben.«
»Was? Chinesische Truppen? Wie viele? Wo?«
»Offenbar sind zwei Brigaden nach Kanggje vorgestoßen und haben das Militärlager Pjorbai eingenommen«, berichtete Kim.
»Die Verbindung zur Provinz ist seit einer Viertelstunde abgerissen.« Der Verteidigungsminister überflog eine Meldung, die ein Offizier ihm hinlegte, schluckte trocken und sprach weiter: »Herr Präsident, Aufklärungsflüge zeigen massive chinesische Vorstöße über die Grenze. Außer den schätzungsweise zwei Brigaden, die Kanggje eingenommen haben, überschreiten weitere zwei Brigaden mit starker Luftunterstützung die Grenze. Von unserem in Pjorbai stationierten Siebten Bataillon kommt keine Meldung mehr - anscheinend ist es von den Chinesen überrannt worden.«
»Ist die Hauptstoßrichtung der Angreifer schon zu erkennen?«, fragte der Präsident. »Worauf können sie es abgesehen haben?«
Er machte eine kurze Pause, dann fragte er leise: »Auf die Forschungsstätten? Auf die Waffenlabors?«
»Vermutlich, Herr Präsident«, bestätigte Kim. »Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass die Chinesen Kanggje und die Waffenlabors einnehmen. Bekommen kommunistische Rebellen ABC-Waffen in die Hände und können sie gegen uns einsetzen, könnten die Verluste unvorstellbar hoch sein. Aber wir dürfen die Waffenlabors nicht opfern. Mit Bomben oder Granaten würden wir sie beschädigen oder zerstören - oder die Chinesen würden uns das Zerstörungswerk abnehmen.« Nun herrschte sekundenlang Schweigen, bis Kim in strengem Tonfall halblaut sagte: »Jetzt ist der Augenblick gekommen, eine Waffe einzusetzen, die den Feind tötet, ohne Gebäude oder Einrichtungen zu beschädigen.«
»Wovon reden Sie überhaupt, Kim?«
»Von einem Schlag mit subatomaren oder chemischen Waffen gegen die Chinesen, Herr Präsident«, antwortete der Verteidigungsminister. »Genau dafür sind diese Waffen gedacht, genau dafür hat Nordkorea sie in seinem Arsenal gehabt - um uns vernichten zu können, ohne unsere Städte, unsere Fabriken, unsere militärische und zivile Infrastruktur zu zerstören. Uns bleibt keine andere Wahl, Herr Präsident. Verlieren wir die Provinz Chagang Do mit sämtlichen militärischen Einrichtungen an die Chinesen und die kommunistischen Rebellen, sind letztlich alle unsere Städte gefährdet.«
»Ich bin nicht davon überzeugt, dass ein solcher Angriff notwendig ist, General.«
»Und ich halte ihn für notwendiger
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