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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Access gewesen waren, hatte Gillette oft betont, als Hacker müsse man sich vor allem die Kunst der Improvisation aneignen.
    Diese Fähigkeit hatte Phate ebenfalls rasch entwickelt, und deshalb verließ er sich heute auf sein Improvisationstalent.
    Er war zu dem Schluss gekommen, dass es zu riskant sei, den geplanten Angriff auf das Krankenhaus durchzuführen, nachdem Gillette in seinem Computer gewesen war. Also hatte er seinen Plan leicht abgewandelt. Statt, wie beabsichtigt, mehrere Patienten in einem der OPs zu töten, würde er der CCU einen kleinen Besuch abstatten.
    Natürlich bestand die Möglichkeit, dass Gillette mit den Bullen ins Krankenhaus fuhr, deshalb hatte er dieses codierte Kauderwelsch verschickt, eine Nachricht, die angeblich von Triple-X stammte. Er wollte sichergehen, dass Gillette zurückblieb, um den Wust zu entschlüsseln.
    Es war, seiner Meinung nach, die perfekte Lösung. Nicht nur, dass es für Phate eine echte Herausforderung darstellte, in die CCU einzudringen – gut und gerne fünfundzwanzig satte Punkte wert –, sie bot ihm obendrein, falls die Aktion erfolgreich verlief, die Gelegenheit, den Mann zu töten, hinter dem er schon seit Jahren her war.
    Er schaute sich abermals um und lauschte. Bis auf Judas Valleyman befand sich keine Menschenseele in dem riesigen Raum. Auch die Sicherheitsvorkehrungen hatten sich als weniger streng erwiesen als erwartet. Trotzdem bereute er es nicht, sich so viel Mühe gegeben zu haben: die Uniform von den Gas- und Stromwerken, der gefälschte Arbeitsauftrag zur Überprüfung einiger Verteilerkästen, der laminierte Ausweis, den er akribisch genau auf seiner ID-Maschine angefertigt hatte, die zeitraubende Arbeit am Schloss der Eingangstür. Wenn man Access gegen einen echten Wizard spielte, konnte man nicht vorsichtig genug sein, insbesondere, wenn dieser Wizard es sich in der Höhle des Feindes bequem gemacht hatte.
    Er war jetzt nur noch wenige Schritte von seinem Widersacher entfernt, dem Mann, dessen Tod Phate sich in so mancher Mußestunde immer wieder ausgemalt hatte.
    Doch im Gegensatz zum traditionellen Access-Spiel, in dem man dem besiegten Gegner das noch schlagende Herz aus der Brust schnitt, hatte sich Phate für Gillette etwas anderes ausgedacht.
    Auge um Auge …
    Ein heftiger Schlag mit dem Schraubenschlüssel gegen den Schädel, um ihn zu betäuben, dann wollte er Valleymans Kopf packen und sich mit dem Militärmesser an die Arbeit machen. Die Idee stammte eigentlich von Jamie Turner, seiner jugendlichen Hintertür in die St. Francis Academy. Was hatte der junge Mann seinem Bruder geschrieben?
    JamieTT: Mann, kannst du dir als Hacker etwas Grauenhafteres vorstellen, als blind zu werden?
    Nein, Jamie, das kann ich mir nicht vorstellen, antwortete ihm Phate jetzt stumm.
    Er blieb kurz vor dem Cubicle stehen, duckte sich, lauschte dem unvermindert anhaltenden Klackern der Tastatur und holte tief Luft. Dann machte er einen Schritt vorwärts und holte mit dem Schraubenschlüssel weit aus.

34 Kapitel 00100010
    Mit dem hoch über dem Kopf erhobenen Schraubenschlüssel betrat Phate die leere Büronische.
    »Nein!«, flüsterte er.
    Das Tastaturgeräusch stammte nicht von Gillettes Fingern, sondern kam aus den mit dem Rechner verbundenen Lautsprechern. Die Arbeitsecke selbst war verwaist.
    Doch gerade als er den Schraubenschlüssel sinken ließ und die Pistole aus dem Overall zog, kam Gillette aus dem Cubicle nebenan und setzte die Pistole, die er dem unglücklichen Agent Backle abgenommen hatte, Phate in den Nacken und zog dem Mörder die Glock aus der Hand.
    »Keine Bewegung, Jon«, wies ihn Gillette an und spürte im gleichen Augenblick, wie der Mann zitterte. Nicht vor Angst, vermutete er, sondern vor Zorn.
    Gillette durchsuchte Phates Taschen und zog eine ZIP-Disk, einen Sony-Diskman mit Kopfhörern, einen Autoschlüssel sowie eine Brieftasche hervor. Das Messer fand er als Letztes und legte es zu den anderen Sachen auf den Schreibtisch.
    »Das war gut«, sagte Phate und nickte in Richtung Computer, aus dessen Lautsprechern immer noch heftiges Tastaturklappern drang. Gillette drückte eine Taste, und das Geräusch verstummte.
    »Du hast dich selbst auf eine wav.Datei aufgenommen … damit ich glaube, dass du hier drin bist.«
    »Genau.«
    Phate lächelte bitter und schüttelte den Kopf.
    Gillette trat zurück, und die beiden Wizards musterten einander. Es war ihr erstes Treffen von Angesicht zu Angesicht. Sie hatten Hunderte geheimer

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