Lautloses Duell
zu weinen anfing. Aber der Mörder hatte seine Gefühle rasch wieder unter Kontrolle und warf lächelnd einen Blick auf die beiden demolierten Tastaturen in der Ecke. »Hast du nur zwei von den Dingern geliefert?« Er lachte.
Jetzt musste auch Gillette grinsen. »Ich bin doch erst anderthalb Tage hier. Lass mir ein wenig Zeit.«
»Ich weiß noch, wie du sagtest, du hättest es nie draufgehabt, sanft anzuschlagen.«
»Einmal, das muss so fünf Jahre her sein, hab ich mir beim Hacken den kleinen Finger gebrochen. Es ist mir nicht mal aufgefallen. Ich hab noch stundenlang weitergeschrieben. Bis ich merkte, dass meine Hand ganz schwarz wurde.«
»Was war dein Ausdauerrekord?«, wollte Phate wissen.
Gillette dachte nach. »Einmal habe ich neununddreißig Stunden durchgetippert.«
»Mein Rekord waren siebenunddreißig Stunden«, erwiderte Phate. »Ich hätte noch weitergemacht, wenn ich nicht eingeschlafen wäre. Als ich aufwachte, konnte ich zwei Stunden meine Hände überhaupt nicht bewegen … Wir haben schon abgefahrene Dinger gedreht, was, Alter?«
»Weißt du noch«, sagte Gillette, »dieser Kerl … dieser Luftwaffengeneral? Den wir auf CNN gesehen haben? Er behauptete, ihre Rekrutierungs-Website sei schwerer zu knacken als Fort Knox und dass keiner dieser Punks sie jemals knacken könnte.«
»Ha, und wir waren in … wie lange hat das gedauert? … in zehn Minuten drin.«
Die jungen Hacker hatten damals Werbung für Damenhygiene auf die Seite geladen und all die tollen Fotos von markigen Kampfpiloten und Bombern durch Produktaufnahmen von Binden und Tampons ersetzt.
»Das war ein prima Hack«, schmunzelte Phate.
»Allerdings … und als wir die Hauptverbindung zum Pressebüro des Weißen Hauses in eine gebührenpflichtige Nummer verwandelt haben?«, sinnierte Gillette.
Sie schwiegen einen Augenblick, bis Phate schließlich sagte: »Ach, Alter, denk nur mal dran, was wir
gemeinsam
alles vollbringen könnten … Du warst besser als ich … du bist einfach nur aus der Spur gekommen. Hast dieses griechische Mädchen geheiratet, wie hieß sie? Ellie Papandolos, stimmt’s?« Er musterte Gillette genau, als er ihren Namen aussprach. »Du bist geschieden, aber immer noch in sie verliebt, stimmt’s? Ich seh’s dir doch an.«
Gillette erwiderte nichts.
»Du bist ein Hacker, Mann«, fuhr Phate fort. »Eine Frau hat in deinem Leben nichts verloren. Wenn die Maschinen dein Leben sind, brauchst du keine anderen Geliebten. Die halten dich bloß auf.«
»Und was ist mit Shawn?«, konterte Gillette.
Ein düsterer Schatten huschte über Phates Gesicht. »Das ist etwas anderes. Shawn versteht mich und weiß, was ich will. Es gibt nicht viele Leute, von denen ich das sagen könnte.«
»Wer ist er?«
»Shawn geht dich nichts an«, sagte Phate drohend. Kurz darauf lächelte er wieder: »Komm schon, Wyatt. Wir arbeiten wieder zusammen. Ich weiß, dass du unbedingt wissen willst, wie Trapdoor funktioniert. Würdest du nicht alles dafür geben?«
»Ich weiß, wie es funktioniert. Es ist ein Packet-Sniffer zum Umleiten von Nachrichten. Dann pflanzt du dem Packet mittels Stenanographie einen Dämon ein. Der Dämon aktiviert sich selbsttätig, sobald er im Zielrechner angekommen ist, wo er die Kommunikationsprotokolle umschreibt. Er verbirgt sich im Patience-Programm und zerstört sich selbst, wenn jemand nach ihm sucht.«
Phate lachte. »Das ist so, wie wenn jemand sagt: ›Ach so, dieser Mensch dort flattert mit den Armen, deshalb fliegt er.‹ Aber
wie
habe ich es hingekriegt?
Das
würdest du gerne wissen. Denn
das
weiß niemand … Interessiert dich wirklich nicht, wie der Quellcode aussieht? Brennst du nicht darauf, ihn zu sehen, Mister Neugierig? Ich lass dich mal einen kurzen Blick drauf werfen. Das ist, als dürftest du einen Blick auf Gott werfen, Wyatt. Du weißt, dass du es willst.«
Einen Augenblick scrollten Gillettes Gedanken instinktiv durch eine Zeile Software nach der anderen – durch das, was er schreiben würde, um Trapdoor nachzubilden. Doch es ging nur bis zu einem bestimmten Punkt, dann wurde der Monitor in seinem Kopf schwarz. Er kam nicht weiter, und er spürte, wie die Neugier mit schmerzlichem Verlangen von ihm Besitz ergriff. Ja, er brannte darauf, den Quellcode zu sehen. Er war wie süchtig danach.
Aber er sagte: »Leg die Handschellen an.«
Phate warf einen Blick auf die Wanduhr. »Weißt du noch, was ich damals, als wir beide gemeinsam hackten, in Bezug auf Rache gesagt
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