Lautloses Duell
war zweifelsohne einer davon.
Wieder fiel Anderson auf, dass Frank Bishop den Blick geistesabwesend durch den Raum schweifen ließ. Seine Gedanken schienen ganz woanders zu sein. Er fragte sich, ob er im Präsidium anrufen und einen anderen Detective anfordern sollte. Sollte Bishop doch die MARINKILL-Bankräuber hetzen, wenn ihm das so verdammt wichtig war. An seiner Stelle sollte die Zentrale lieber jemanden abstellen, der wenigstens aufpassen und zuhören konnte.
An Gillette gewandt, sagte der CCU-Cop: »Das heißt unterm Strich, dass er mit Hilfe eines neuen, unbekannten Programms oder Virus’ in ihr Betriebssystem eingedrungen ist, wir aber immer noch nicht wissen, wie er es gemacht hat.«
»So gesagt – ja.«
»Haben Sie irgendetwas anderes über ihn herausfinden können?«
»Nicht mehr als das, was Sie sowieso schon wissen: dass er auf Unix ausgebildet wurde.«
Unix ist wie MS-DOS oder Windows ein Betriebssystem für Computer, wird aber im Gegensatz zu den anderen beiden meist bei größeren, leistungsstärkeren Geräten als reinen PCs eingesetzt.
»Moment mal«, unterbrach ihn Anderson. »Was meinen Sie mit, ›was wir sowieso schon wissen‹?«
»Den Fehler, den er gemacht hat.«
»Welchen Fehler?«
Gillette zog die Stirn kraus. »Als der Mörder in ihrem Rechner war, hat er ein paar Befehle getippt, um in ihre Dateien zu gelangen. Aber es waren Unix-Befehle. Er muss sie aus Versehen eingegeben haben, bevor er sich wieder darauf besann, dass ihre Kiste auf Windows läuft. Es waren obskure Befehle, die nur ein Unix-Guru kennt. Sie müssen sie da drin doch gesehen haben.«
Anderson sah fragend zu Stephen Miller hinüber, der den Rechner als Erster untersucht hatte. »Ja, ein paar Zeilen Unix habe ich gefunden«, sagte Miller verunsichert, »aber ich dachte, die hätte sie selbst geschrieben.«
»Sie war eine Zivilistin«, erwiderte Gillette und benutzte den Ausdruck, mit dem Hacker harmlose Computer-User bezeichnen. »Ich bezweifle, dass sie jemals etwas von Unix gehört hat, geschweige denn, dass sie die Befehle kannte.« Bei Windows und Apple arbeiten die User mit ihren Rechnern, indem sie einfach Bilder anklicken oder ganz normale Worte als Befehle eingeben; Unix hingegen verlangte von seinen Usern Hunderte komplizierter Codes, die manchmal aus unverständlichen Ketten von Symbolen und Buchstaben bestanden.
»Daran habe ich nicht gedacht, tut mir Leid«, sagte Miller entschuldigend. Er schien ziemlich verstimmt über die Kritik an seinem Tun und die Tatsache, dass es letztendlich keine große Rolle spielte, ob er etwas gedacht hatte oder nicht.
Stephen Miller hat also noch einen Fehler gemacht, überlegte Anderson. Das Problem war nicht neu, seit Miller sich vor achtzehn Monaten der CCU angeschlossen hatte. In den siebziger Jahren hatte Miller eine viel versprechende Firma geleitet, die Computer herstellte und Software entwickelte. Seine Produkte hinkten jedoch immer einen Schritt hinter IBM, Digital Equipment und Microsoft hinterher, bis er schließlich Konkurs anmelden musste. Miller beschwerte sich immer wieder darüber, dass er dem NBT (mit »Next Big Thing« wird in Silicon Valley die jeweils nächste revolutionäre Innovation bezeichnet, die die gesamte Industrie auf den Kopf stellt und ihre Entwickler über Nacht zu Millionären macht) mehr als einmal dicht auf den Fersen war, die »Großen« ihn aber ständig sabotiert hätten.
Nachdem seine Firma pleite gegangen war, wurde auch seine Ehe geschieden, und er tauchte einige Jahre im Computeruntergrund von San Francisco unter, bis er als frei schaffender Programmierer wieder auftauchte. Miller beschäftigte sich verstärkt mit Computersicherheit und bewarb sich schließlich bei der State Police. Er wäre nicht unbedingt Andersons erste Wahl für einen Computerfachmann gewesen, aber schließlich standen der CCU nicht gerade viele qualifizierte Bewerber zur Auswahl. Kein Wunder, bei den Bedingungen: Warum sechzigtausend Dollar im Jahr bei einem Job verdienen, bei dem man mit etwas Glück erschossen werden konnte, wenn man bei einer der legendären Firmen im Silicon Valley wesentlich ungefährlicher ein Zehnfaches mit nach Hause nehmen kann?
Und so war Millers Karriere bei der CCU von Sätzen wie
Daran hab ich nicht gedacht, tut mir Leid
gepflastert. Trotzdem opferte Miller, der seitdem nicht wieder geheiratet hatte und auch sonst kein nennenswertes Privatleben zu haben schien, die meisten Überstunden für die Abteilung und war oft noch
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