Lautloses Duell
Drecksarbeit ab. Wir fallen immer irgendwie durch den Rost, und am Schluss müssen wir die Arbeit machen, die schon jemand anders erledigt hat. Mit der Zeit geht einem das ganz schön auf die Nerven.«
»Bernstein nimmt da kein Blatt vor den Mund, Charlie. Wenn er kann, hilft er Ihnen auch.«
Pittman sah noch einmal Gillette an und fragte sich wahrscheinlich, was ein magerer junger Mann in einer so schmuddeligen Jacke, der offenbar kein Polizist war, hier zu suchen hatte.
»Ich drücke Ihnen die Daumen«, sagte Bishop.
»Danke, Detective.« Pittman machte sich wieder auf den Weg in die Nacht.
Als sie im Streifenwagen saßen, meinte Gillette: »Ich habe eigentlich keine Lust, nach San ’Ho zurückzugehen.«
»Ich muss jedenfalls noch mal zur CCU, noch mal alle Hinweise durchgehen und irgendwo eine Mütze Schlaf finden. Ich habe dort keine Zelle gesehen.«
»Ich haue nicht noch mal ab«, sagte Gillette.
Bishop gab keine Antwort.
»Ich will nicht ins Gefängnis.« Da der Detective weiter schwieg, schlug der Hacker vor: »Wenn Sie mir nicht trauen, fesseln Sie mich doch mit den Handschellen an einen Stuhl.«
»Legen Sie Ihren Sicherheitsgurt an«, sagte Bishop.
22 Kapitel 00010110
Die Junípero Serra School sah im frühen Morgennebel ausgesprochen idyllisch aus.
Die acht Morgen des landschaftsgärtnerisch gestalteten Geländes der exklusiven Privatschule lagen zwischen dem Xerox-Forschungszentrum in Palo Alto und einer der vielen Niederlassungen von Hewlett-Packard in der Nähe der Stanford University. Die Schule erfreute sich eines hervorragenden Rufes und war bekannt dafür, praktisch alle ihre Schulabgänger in den weiterführenden Einrichtungen ihrer Wahl (beziehungsweise der Wahl ihrer Eltern) unterzubringen. Die Umgebung war paradiesisch und das Personal ungewöhnlich gut bezahlt.
Die Frau, die schon seit einigen Jahren als Empfangsdame der Schule arbeitete, hatte zurzeit jedoch nicht die Muße, sich der Vorzüge ihres Arbeitsplatzes zu erfreuen; in ihren Augen standen Tränen, und sie bemühte sich sichtlich, das Zittern ihrer Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Mein Gott, mein Gott«, flüsterte sie. »Joyce ist erst vor einer halben Stunden hier gewesen. Ich habe sie gesehen. Es ging ihr wunderbar. Ich meine, das war doch erst vor einer halben Stunde.«
Vor ihr stand ein junger Mann mit rötlichem Haar und ebensolchem Oberlippenbart in einem teuren Anzug. Seine Augen waren gerötet, als hätte auch er geweint, und er hielt die Hände so gefaltet, dass man sah, wie bestürzt er war. »Sie und Don wollten heute nach Napa fahren, in den Weinberg. Sie waren dort mit einigen von Dons Investoren zum Mittagessen verabredet.«
»Wie ist es denn passiert?«, fragte sie atemlos.
»Einer dieser Busse mit Wanderarbeitern … Er ist voll in sie hineingefahren.«
»O Gott«, murmelte sie wieder. Eine zweite Frau kam vorbei, und die Sekretärin sagte: »Amy, komm mal her.«
Die Frau in dem hellroten Kostüm und dem Blatt mit der Aufschrift »Stundenplan« in der Hand kam zur Rezeption. Die Empfangsdame flüsterte: »Joyce und Don Wingate hatten einen Unfall.«
»Nein!«
»Es hört sich schlimm an.« Die Empfangsdame nickte. »Das hier ist Dons Bruder Irv.«
Sie nickten einander zu, und Amy fragte betreten: »Wie geht es ihnen?«
Der Bruder schluckte und räusperte sich. »Sie werden es wohl überleben. Zumindest sagen das die Ärzte jetzt. Aber sie sind beide noch ohne Bewusstsein. Mein Bruder hat sich den Rücken gebrochen.« Er kämpfte gegen die Tränen an.
Die Empfangsdame wischte die ihren weg. »Joyce ist so engagiert in der Elternschaft. Alle sind begeistert von ihr. Können wir etwas für sie tun?«
»Das weiß ich momentan noch nicht«, antwortete Irv kopfschüttelnd. »Ich kann noch gar nicht klar denken.«
»Nein, nein, selbstverständlich nicht.«
»Wir sind auf jeden Fall für Sie da«, sagte Amy. »Die ganze Schule ist für Sie da, egal, was Sie brauchen.« Amy winkte eine stämmige Frau in den Fünfzigern herbei. »Mrs. Nagler!«
Die Frau in dem grauen Kostüm kam näher und sah Irv an, der ihr zunickte. »Mrs. Nagler«, sagte er. »Sie sind die Direktorin, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Mein Name ist Irv Wingate. Ich bin Samanthas Onkel. Wir sind uns letztes Jahr beim Frühlingsfest begegnet.«
Sie nickte und reichte ihm die Hand.
Wingate rekapitulierte die Geschichte des Unfalls.
»Um Gottes willen, nein«, flüsterte Mrs. Nagler. »Das tut mir so Leid.«
»Kathy, meine
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