Lautloses Duell
sagte Bishop. »Aber Sie sind mir abgehauen, obwohl ich die Verantwortung für Sie übernommen habe. Das hätte mich meinen Job kosten können. Wie kann ich Ihnen jetzt noch vertrauen? Wir müssen uns wohl oder übel mit einem anderen behelfen.«
»Sie können sich bei Phate nicht mit einem anderen ›behelfen‹. Stephen Miller schafft das nicht. Er spielt in einer anderen Klasse. Patricia Nolan ist nur eine Sicherheitstante – auch die besten Sicherheitsleute hinken immer einen Schritt hinter den Hackern her. Sie brauchen jemanden aus der vordersten Linie.«
»Aus der vordersten Linie«, wiederholte Bishop leise. Der Ausdruck schien ihn zu amüsieren. Er überlegte. »Ich glaube, ich gebe Ihnen noch eine letzte Chance.«
Sheltons Augenlider flatterten vor Unmut. »Böser Fehler.«
Bishop nickte kaum merklich, als wisse er nur zu genau, dass sein Kollege letztendlich Recht haben könnte. Dann sagte er zu Shelton: »Die Leute sollen irgendwo was essen und sich ein paar Stunden Schlaf gönnen. Ich bringe Wyatt für die Nacht nach San ‘Ho zurück.«
Shelton schüttelte den Kopf. Er war mit Bishops Plänen überhaupt nicht einverstanden, ging aber weg, um zu tun, was dieser ihm aufgetragen hatte.
Bishop hakte die Handschellen vom Gürtel. Gillette rieb sich die Handgelenke und sagte: »Geben Sie mir zehn Minuten mit ihr.«
»Mit wem?«»Mit meiner Frau.«»Sie meinen das ernst, was?«»Zehn Minuten, mehr verlange ich nicht.«»Es ist noch keine Stunde her, da erhielt ich einen Anruf von David Chambers aus dem Verteidigungsministerium, einem Mann, der kurz davor stand, unsere befristete Entlassung für null und nichtig zu erklären.«
»Die haben davon Wind gekriegt?«
»Klar doch. Deswegen sage ich Ihnen eines, mein Junge: Diese frische Luft, die Sie atmen, und die ungefesselten Hände da – das ist alles purer Luxus. Von Rechts wegen müssten Sie jetzt auf einer Matratze im Knast liegen und die Decke anstarren.« Der Detective packte Gillettes Handgelenk. Doch bevor sich das Metallband darum schloss, fragte der Hacker: »Sind Sie verheiratet, Bishop?«
»Ja, bin ich.«»Lieben Sie Ihre Frau?« Der Polizist schwieg ein paar Sekunden. Dann nahm er die Handschellen wieder ab. »Zehn Minuten.«
Zuerst sah er ihre von hinten erleuchtete Silhouette.
Aber es bestand kein Zweifel daran, dass es Ellie war. Ihre sinnliche Gestalt, die Fülle des langen, schwarzen Haars, das sich in immer neuen, wild verschlungenen Kaskaden bis tief auf ihren Rücken hinunter ergoss. Das rundliche Gesicht.
Der einzige Hinweis auf die Anspannung, die sie zweifellos erfasste, war die Art, wie sie sich am Türsturz auf der anderen Seite der Fliegentür festklammerte.
»Wyatt«, flüsterte sie. »Haben sie dich …«»Frei gelassen?« Er schüttelte den Kopf. In ihren dunklen Augen blitzte etwas auf, als sie über seine Schultern auf den Gehweg schaute, wo sie den wachsamen Frank Bishop stehen sah.
»Ich bin nur für ein paar Tage raus«, fuhr Gillette fort. »So eine Art begrenzter Hafturlaub. Ich helfe ihnen, jemanden zu finden. Jon Holloway.«
»Deinen alten Kumpel aus der Gang«, murmelte sie.
»Das war mal. Ist längst vorbei.«
Ihr Achselzucken verriet, dass ihr diese Unterscheidung ziemlich egal war.
»Hast du etwas von ihm gehört?«, erkundigte er sich.
»Ich? Nein. Wieso denn? Ich habe keinen Kontakt mehr zu deinen
Freunden
.« Sie drehte sich um, sah die Kinder ihrer Schwester und kam weiter heraus. Sie zog die Tür hinter sich zu, als wollte sie ihn – und die Vergangenheit – unmissverständlich von ihrem jetzigen Leben getrennt halten.
»Was tust du hier? Woher wusstest du, dass ich … warte. Diese Anrufe, gleich wieder aufgelegt. Auf dem Display stand nur ›Ruf abgebrochen‹. Das warst du.«
Er nickte. »Ich wollte nur wissen, ob du zu Hause bist.«
»Warum?«, fragte sie verstimmt.
Er hasste diesen Ton. Er erinnerte ihn an die Verhandlung. Er erinnerte sich an jedes Wort dieser Verhandlung.
Warum?
Das hatte sie ihn in den Tagen, bevor er ins Gefängnis musste, oft gefragt.
Warum hast du deine elenden Maschinen nicht aufgegeben? Dann müsstest du nicht ins Gefängnis. Dann hättest du mich nicht verloren. Warum?
»Ich wollte mit dir reden«, sagte er jetzt.
»Wir haben nichts mehr zu bereden, Wyatt. Dazu haben wir jahrelang Zeit gehabt – aber du hast deine Zeit lieber mit anderen Dingen verbracht.«
»Ich bitte dich«, sagte er, denn er spürte, dass sie drauf und dran war, wieder im Haus zu
Weitere Kostenlose Bücher