Lautloses Duell
Handschellen und der Stuhl waren Ihr Vorschlag.«
»Ich dachte nicht, dass Sie ihn so wörtlich nehmen.«
»Was gibt es daran wörtlich zu nehmen?«, fragte Bishop.
»Entweder man fesselt jemanden mit Handschellen an einen Stuhl, oder man lässt es bleiben.«
Der Detective befreite Gillette aus seiner Lage, und der Gefangene erhob sich steif. Er rieb sich das Handgelenk. Dann ging er in die Küche und holte sich einen Kaffee und einen Donut vom Vortag.
»Nur mal so gefragt – gibt’s hier irgendwo Pop-Tarts?«, rief Gillette und kehrte in den Büroraum der CCU zurück.
»Keine Ahnung«, erwiderte Bishop. »Das ist nicht mein Büro. Außerdem stehe ich nicht auf Süßigkeiten. Meiner Meinung nach isst man zum Frühstück Speck und Eier, was Herzhaftes.« Er nippte an seinem Kaffee. »Ich hab Sie beobachtet, als Sie noch schliefen.«
Gillette wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und hob fragend eine Augenbraue.
»Sie haben getippt.«
»Heutzutage heißt das
tippern
, nicht
tippen
.«
»Wissen Sie, dass Sie das tun?«
Der Hacker nickte. »Ellie hat es mir mehrmals gesagt. Manchmal träume ich sogar in Code.«
»Was träumen Sie?«
»Ich sehe im Traum Programmzeilen. Sie wissen schon, Befehle und Anweisungen in Quellcode. In Basic oder C++ oder Java.« Er sah sich um. »Wo sind denn die anderen?«
»Linda und Tony sind auf dem Weg hierher. Miller auch. Linda ist immer noch keine Großmutter. Patricia Nolan hat die Nacht in ihrem Hotel verbracht.« Er suchte Gillettes Blick. »Sie hat schon angerufen und sich nach Ihnen erkundigt.«
»Tatsächlich?«
Der Detective nickte lächelnd. »Hat mich ziemlich angepflaumt, weil ich Sie an den Stuhl gefesselt habe. Sie meinte, Sie hätten ebenso gut auf der Couch in ihrem Hotelzimmer schlafen können. Daraus können Sie jetzt machen, was Sie wollen.«
»Shelton?«
»Ist zu Hause, bei seiner Frau«, sagte Bishop. »Ich habe ihn angerufen, aber es ist niemand rangegangen. Manchmal muss er einfach weg und bei ihr sein … Sie wissen schon, die Sache, von der ich Ihnen erzählt habe … dass ihr Sohn gestorben ist.«
Ein nicht weit von ihnen entfernter Rechner meldete sich mit einem Piep. Gillette erhob sich und warf einen Blick auf den Bildschirm. Sein rastloser Bot hatte die ganze Nacht durchgearbeitet, war um den Globus gerast, und nun wurden seine Bemühungen von einem weiteren Erfolg belohnt. Gillette las die Nachricht und informierte Bishop: »Triple-X ist wieder online. Wieder im Hacker Chatroom.«
Er ließ sich vor dem Computer nieder.
»Wollen wir ihn noch mal social engineeren?«, erkundigte sich Bishop.
»Nein. Ich habe eine bessere Idee.«
»Und zwar?«
»Ich versuch’s mal mit der Wahrheit.«
Tony Mott raste mit seinem teuren Rennrad in Richtung Osten, über den Stevens Creek Boulevard, überholte dabei die meisten Autos und LKWs und bog mit einem ziemlichen Tempo in den Parkplatz der Abteilung zur Bekämpfung von Computerverbrechen ein.
Er legte die gut zehn Kilometer von seiner Wohnung in Santa Clara zur CCU immer in einer höchst sportlichen Zeit zurück; der schlanke, muskulöse Polizist radelte mit der gleichen Hingabe, mit der er auch seine anderen Sportarten betrieb, ob er nun die Steilabfahrten des A-Basin in Colorado hinunterbretterte, Helikopter-Skiing in Europa betrieb, mit einem Floßüber Stromschnellen schoss oder sich an den steilen Felswänden, die er erklommen hatte, abseilte.
Heute war er besonders schnell gefahren, weil er hoffte, Frank Bishop früher oder später doch noch dazu überreden zu können, dass er endlich die kugelsichere Weste anlegen und ein bisschen richtige Polizeiarbeit erledigen durfte. Während der Ausbildung in der Akademie hatte er hart gearbeitet und ausgezeichnete Ergebnisse erzielt, doch seine Versetzung zur CCU war bisher nicht aufregender als das Verfassen seiner Examensarbeit gewesen. Manchmal kam es ihm vor, als würde er wegen seines hervorragenden Notendurchschnitts am MIT regelrecht diskriminiert.
Noch während er das alte, ramponierte Stangenschloss durch den Radrahmen schob, sah er auf und erblickte einen schlanken, schnurrbärtigen Mann in einem Regenmantel auf sich zukommen.
»Hallo.« Der Mann lächelte ihn an.
»He, hallo.«
»Ich bin Charlie Pittman vom Santa Clara County Sheriff Department.«
Mott schüttelte dem Mann die Hand. Er kannte einige der Detectives aus dem Bezirk, doch diesen hier hatte er noch nie gesehen. Mit einem kurzen Blick auf den Ausweis um seinen Hals sah
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