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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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hatte, die jedoch tief in ihrem Herzen war.
    Zehn Jahre nach Erwin und acht Jahre nach Valerie brachte Anna eine gesunde Tochter zur Welt. Sie und Johann nannten das kleine blonde Mädchen Stella, in dem Vertrauen, dass es einen Himmel gab, von dem Valerie einen Stern zu ihren Eltern geschickt hatte.
     
     
    Jonathan
     
    Das Bett war fertig aufgeblasen, das Kabel verstaut. Unschlüssig stand Jonathan mit dem Spannleintuch in der Hand im Schrankraum, umringt von deckenhohen Kästen. Auf dem einzigen freien Platz in der Mitte des Raumes stand das riesige Gästebett, auf dem locker zwei Erwachsene Platz gehabt hätten. Rundherum war es so schmal, dass man gerade noch vorbeischlüpfen konnte.
    Jonathan bückte sich und versuchte, das Leintuch über die runden Ecken des Bettes zu ziehen. Kaum war er auf der einen Seite fertig und wollte das andere Ende festmachen, rutschte das Leintuch auch schon wieder von der ersten Ecke. Fluchend warf er es auf das Bett und ging nach unten. Sollte seine Mutter den Hausfrauenkram doch selbst machen.
    Jonathan hatte Durst und ging in die Küche. Durch das Fenster sah er seine Mutter mit Oma auf der Bank sitzen. Sie saßen im Schatten des Baumes und hielten sich an den Händen. Sie sprachen miteinander und er konnte sehen, dass seine Mutter weinte. Auch seine Oma sah bedrückt aus.
    Achselzuckend wandte er sich dem Kühlschrank zu, als das Telefon läutete.
    "Ja?"
    "Ähh ... wer spricht da?"
    "Jonathan Santo", antwortete er artig.
    "Ach so, Jonathan. Hier ist Erwin. Was machst du bei Oma?"
    "Haha, witzig. Schon vergessen? Du hast mich zur Beichte hergeschickt." Er klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr, dann versuchte er sich, so gut es ging, Richtung Kühlschrank zu beugen. Anna hatte noch einen altmodischen Telefonanschluss mit diesen dehnbaren Kabeln am Hörer. Es ging sich knapp aus, dass er sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank angeln konnte.
    "Und, wie lief es?", fragte Erwin. Seine Stimme klang belustigt. "Hat sie dir den Kopf abgerissen?"
    "Nein, aber damit habe ich eh nicht gerechnet." Geräuschvoll trank er einen Schluck aus der Flasche. "Wann hat mir Mum jemals den Kopf abgerissen?"
    "Stimmt auch wieder."
    "Obwohl, die Strafe ist auch nicht schlecht ausgefallen. Dank dir darf ich jetzt bei Oma pennen, solange Mum hier ist."
    Erwin schnaufte empört. "Was heißt hier 'dank mir'? Die Suppe hast du dir wohl selbst eingebrockt." Nun klang er nicht mehr belustigt, sondern hatte einen erzieherischen Ton angeschlagen.
    "Das schon, aber ich dachte, du würdest mir helfen", schmollte Jonathan. Er hatte gehofft, sein Onkel würde mit ihm das Chaos zu Hause beseitigen, schnell neue  Stühle besorgen und vielleicht noch den einen oder anderen Brandfleck kaschieren.
    "Nein, nein, mein Lieber." Erwin lachte leise. "Jonathan, eines musst du ganz eindeutig noch lernen in deinem Leben: Hin und wieder muss man sich selbst mal beim Schopf packen und aus dem Dreck ziehen. Die Party hast du selbst verschuldet, inklusive dem Chaos danach, also steh deinen Mann und sieh zu, dass du das in Ordnung bringst."
    Jonathan schwieg, dann meinte er trotzig: "Sonst noch was?"
    "Ist Oma da?"
    Jonathan sah zur Terrassentür hinaus. "Sie sitzt mit Mum im Garten."
    "Geht es ihr gut?"
    "Mum heult."
    "Ich fragte, ob es Oma gut geht?"
    "Ja, ich denke schon." Er nahm noch einen Schluck aus der Wasserflasche und stellte sie auf den Tisch. Da fiel sein Blick auf die vielen Zettel, die dort lagen. In der ersten Zeile stand: Abschnitt 'Beisetzung'; Ich wünsche mir ein a) konventionelles Grab, b) ein Gemeinschaftsgrab, c) ...
    Jonathan las nicht weiter. Wieder warf er einen Blick in den Garten.
    "Scheiße", murmelte er.
    "Was ist? Bist du noch dran?"
    "Was? Ach so, ja. Du, ich muss aufhören. Oma ruft dich zurück."
    Noch ehe Erwin etwas erwidern konnte, hatte Jonathan aufgelegt.
    Er war ohne Vater aufgewachsen und war immer der Lebensmittelpunkt von Stella gewesen. Das spürte der Junge schon sehr früh und nutzte dies auch dementsprechend aus. Er bekam fast jeden Wunsch erfüllt, wenn es sich seine Mutter leisten konnte und durfte als Jugendlicher als einer der Ersten in der Nacht fortgehen und auch länger ausbleiben als andere. Stella hatte sich zwar immer extreme Sorgen gemacht, wenn Jonathan um die Häuser gezogen war und hatte so lange wach gelegen, bis er wohlbehalten nach Hause kam, doch sie konnte dem Jungen einfach nichts abschlagen. Das machte sich irgendwann in der Erziehung bemerkbar. Er

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