Lavendel und Blütenstaub
sagte er, während er nach oben ins Schlafzimmer ging. Er zog sich Socken und eine Jeans an.
Gabriela war ihm gefolgt und stand an der Tür. "War das Jonathan?"
"Ja. Stella hat ihn alleine bei Mutter gelassen." Er drückte sich an ihr vorbei und sah kurz in den Spiegel im Flur. Mit den Fingern fuhr er sich durch das dichte zerzauste Haar, dann eilte er wieder nach unten.
"Wieso? Wo ist sie?"
"Arbeiten", sagte er kurz angebunden. Er schlüpfte in die Turnschuhe und nahm den Autoschlüssel. "Kommst du mit?"
Gabriela sah an sich herunter. Sie war nur mit Unterwäsche bekleidet. "Nein, lieber nicht." Sie lächelte aufmunternd. "Fahr ruhig alleine. Vielleicht ist es ja ganz gut, wenn Stella nicht da ist."
Im Auto dachte Erwin an die letzten Worte seiner Frau. Vielleicht hatte sie ja recht. Seit der schrecklichen Diagnose hatte er kaum Zeit gehabt, alleine mit seiner Mutter zu sprechen. Immer war Stella dabei gewesen, und so war die Stimmung dementsprechend angespannt gewesen.
Anna saß im Garten auf der Bank unter dem Nussbaum. Der Regen hatte aufgehört, nur die Wolken hingen immer noch schwer am Himmel. Es war kühl und Erwin fröstelte, als er in der offenen Terrassentür stand und Anna beobachtete.
Jonathan hatte ihn hereingelassen, dann war er auch schon wieder ins Wohnzimmer verschwunden. Gedämpft konnte Erwin Musik hören.
Er nahm eine warme Wolldecke und ging hinaus. "Hallo Mutter", sagte er leise, als er ihr die Decke auf die Beine legte und sich zu ihr setzte.
"Erwin! Schön dich zu sehen!" Anna sah erfreut auf und nahm seine Hand. Ihre grauen Augen strahlten.
"Wie geht es dir, Mutter?"
"Ach, es geht schon." Sie machte eine beschwichtigende Geste.
Ihre Hand wirkte knochig und schmal. Hatte sie abgenommen? Besorgt sah Erwin sie an. "Geht es dir wirklich gut? Brauchst du irgend etwas? Hast du genug Medikamente?"
"Ja, ja, Erwin. Mir fehlt nichts. Stella kümmert sich sehr gut um alles."
"Wieso ist sie eigentlich arbeiten? Sollte nicht lieber jemand bei dir sein?"
"Aber Jonathan ist doch hier."
"Ach, der." Er winkte ab. "Der kann sich doch nicht einmal um sich selbst kümmern. Wie lange muss Stella arbeiten?"
Anna dachte kurz nach. "Sie hat gesagt, dass sie gegen 13 Uhr zu Hause sein wird."
Erwin sah auf die Uhr. Es war viertel vor zehn. "In Ordnung, dann haben wir noch ein paar Stunden Zeit. Und ab morgen komme ich jeden Vormittag vorbei. Einverstanden?"
Anna lächelte und nickte.
"Aber unter einer Bedingung." Er hob den Zeigefinger mahnend. "Stella wird hiervon nichts erfahren!"
Anna
Es war so schön, mit dem Sohn Zeit zu verbringen. Sie genoss die Vormittage mit Erwin sehr. Er kümmerte sich rührend um sie, machte ihr Tee, ging mit ihr in den Garten und sie sprachen viel. Hatte sie in den letzten Jahren jemals so viel Zeit mit Erwin verbracht? Nein, wohl nicht. Entweder war er arbeiten gewesen oder er war gestresst nur kurz zwischendurch herein geschneit oder Stella war dabei gewesen.
Zwei regnerische, düstere Tage waren schnell vorüber gegangen. Der Himmel war wieder blau geworden, die Augusthitze schlug nun unbarmherzig zu.
Erwin genoss das Wetter in vollen Zügen und wollte oft im Garten sitzen, doch Anna bevorzugte die Kühle der Küche. Dann saßen sie am Tisch, redeten, sahen zum Fenster hinaus und schwiegen. Oftmals hingen beide ihren Gedanken nach.
Die Schmerzen waren in letzter Zeit gut auszuhalten gewesen. Der Hausarzt kam mehrmals in der Woche vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und Stella sorgte für die richtige Vergabe der Medikamente. Die vorgeschriebene Dosis musste nicht mehr erhöht werden, doch Anna war sich sicher, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm war. Immer öfter fühlte sie sich schlapp und die Nebenwirkungen der vielen Tabletten machten ihr zu schaffen. Oft musste sie auch gegen die Übelkeit ankämpfen, was sie im Verborgenen und stumm tat.
Sie wollte vor Erwin nicht schwach sein. Er würde sich sonst große Sorgen machen. Sie sah auch so das Mitleid und die Traurigkeit in seinen Augen.
Immer öfter zog sich Anna am Vormittag in ihr Schlafzimmer zurück, nahm eine Tablette gegen die Übelkeit und legte sich hin.
Es klopfte leise. Sie sah auf.
"Störe ich?"
"Nein, schon gut. Komm rein."
Erwin ging zu ihrem Bett und blieb unschlüssig davor stehen. Schließlich nahm er den Stuhl, rückte ihn näher und setzte sich. "Alles klar bei dir?" Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an, die Stirn sorgenvoll in Falten gelegt.
Sie richtete sich
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