Lavendel und Blütenstaub
packte zusammen.
Sein Telefon läutete.
"Lukas."
"Hallo Schatz. Ich bin's. Alles in Ordnung?"
"Ja, ja. Alles klar." Er rieb sich wieder die Augen. "Was ist los?"
"Aurelia ist mit den Kindern da. Wie lange wirst du noch arbeiten?"
"Ich mach gleich Schluss."
"In Ordnung. Bis später."
Erwin legte auf, nahm seine dick gefüllte Aktentasche und ging aus dem Büro. Er verabschiedete sich von seinen Mitarbeitern und übergab für die nächsten zwei Wochen seinem Stellvertreter die Aufsicht. Zum Glück war Sommer, so herrschte weniger Betrieb im Geschäft. Sonst würde er sich solch eine Laschheit, die er seit Annas Krebsdiagnose an den Tag legte, eh nicht leisten können.
Auf der Heimfahrt dachte Erwin immer wieder daran, dass Anna diese Behandlung verweigert hatte. Warum ließ sie sich nicht helfen? Sollte man nicht alles Mögliche tun, um zumindest nicht so schnell zu sterben? Er verstand es nicht. Was war nur los mit ihr?
Das war bestimmt der Einfluss seiner Schwester. Er stellte sich vor, wie sie Anna pflegte und verhätschelte, und sie womöglich darin bestärkte, das Schicksal ergeben anzunehmen. Wut stieg in ihm hoch. Und er fühlte sich noch mehr ausgeschlossen denn je. Aber er würde es ihr schon zeigen. Ein echter Lukas gab nicht so schnell auf, da konnte Stella sagen, was sie wollte.
Zehn Minuten später war Erwin zu Hause. Er fühlte sich besser. Pfeifend stieg er aus seinem Auto und ging ins Haus. Von Weitem hörte er seine Enkelkinder im Garten herumtollen und freute sich auf die willkommene Abwechslung.
"Hallo ihr vier!" Er war durch das Haus nach hinten gegangen, wo er beim Anblick seiner Familie lächeln musste.
"Hallo Papa!" Aurelia stand vom Gartenstuhl auf und blickte freudig ihren Vater an.
Schön sah sie aus, mit den dunklen offenen Haaren. Erwin gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Wo ist Christopher?"
"Er ist für einen Kollegen eingesprungen. Es wird wohl länger dauern." Sie seufzte.
Sebastian kam herbeigestürmt. "Opa!"
Hinter ihm ging Gabriela, die lächelnd beobachtete, wie sich Sebastian in seine Arme warf.
"He, mein Großer! Alles klar?"
"Klar doch!", antwortete Sebastian und deutete mit dem Daumen nach oben. "Soll ich dir mal zeigen, was ich mit dem Fußball schon kann?"
Erwin blickte stolz auf den blonden Jungen mit den blauen Augen. Immer wieder fragte er sich, wie es sein konnte, dass die Gene sich nach drei Generationen noch so durchschlagen konnten. Er kam ganz nach seiner Uroma.
Während Erwin und Sebastian im Gras mit dem Ball herumtollten und Marina mitten drin kreischend im Kreis lief, blickte Aurelia Gabriela an, die sich zu ihr gesetzt hatte. "Wie geht es Papa mit Omas Diagnose?"
Gabriela seufzte. "Er tut sich sehr schwer. Es ist nicht leicht für ihn, das Endgültige so hinzunehmen. Oma und Stella scheinen sich da leichter zu tun."
"Meinst du? Für Oma muss es doch mindestens genauso schwer sein, oder?"
Gabriela zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Sie redet ja nicht viel mit mir."
"Oma oder Tante Stella?", fragte Aurelia unschuldig.
"Hm, eigentlich beide. Ach, ich weiß auch nicht." Hilflos ließ sie die Schultern sinken.
"Denkst du, ich soll sie mal besuchen fahren?"
"Warum nicht? Die Kinder würden sich bestimmt freuen, ihre Uroma zu sehen. Und es wäre eine Abwechslung."
Aurelia nickte. Vielleicht konnte sie dabei auch mit Stella reden. Dieser Streit musste einmal ein Ende finden.
Stella
Den Sonntag verbrachten sie und Anna mehrere Stunden über ein 25-seitiges Formular gebeugt. Es war eine Patientenverfügung, die Anna eigentlich eher zufällig vom Krankenhaus mitgenommen hatte. Sie hatte nicht wirklich gedacht, sich damit so bald auseinandersetzen zu müssen. Stella sollte ihr helfen, die Verfügung auszufüllen.
Jonathan hatte letzte Nacht noch zu Hause verbringen dürfen. Heute sollte er mit Sack und Pack kommen und bei Oma bleiben, während Stella wieder arbeiten gehen musste. Sie würde aber nur die Vormittagsstunden im Sommerkindergarten übernehmen, somit würde sie nicht allzu lange von Anna weg sein.
Stella war erstaunt darüber gewesen, über was man in einer Patientenverfügung alles bestimmen konnte. Jedes noch so kleine Detail forderte eine Entscheidung.
Anna las sich jede Frage in Ruhe durch und Stella machte die Auswahlkreuze oder schrieb etwas dazu.
Sie wollte keine lebenserhaltende Maßnahmen, sondern nur eine schmerzmedizinische Betreuung. Ihr Wunsch war es zudem, zu Hause zu sterben, wenn es soweit
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