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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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antwortete der Junge. "Wieso bist du denn erwachsen?"
    "Du stellst aber Fragen", stellte sie kopfschüttelnd fest. "Alle Menschen werden erwachsen."
    "Ich nicht", sagte der Junge schulterzuckend.
    "Wieso denn nicht?", fragte sie, nun neugierig geworden.
    "Weißt du das denn nicht?" Die blauen Augen blickten sie eindringlich an.
    "Nein, was sollte ich denn wissen?"
    Der Junge deutete ihr näher zu kommen. Sie erhob sich und ging ein paar Schritte auf die Hecke zu. Dann flüsterte er: "Kleine Engel wachsen nicht."
    Es war fast tonlos gesprochen gewesen, aber in ihr hallte der Satz im Kopf wider, als hätte er es neben ihr geschrien.
     
    Die Palliativstation war ein heller, sonnendurchfluteter Bereich in den obersten zwei Stockwerken des städtischen Krankenhauses. Anna hatte Bedenken gehabt, dort untergebracht zu werden. So schlimm stand es doch nicht um sie, dachte sie. Wenn die Schmerzen wieder weg sind, würde sie sich gleich viel besser fühlen. Dann könnte sie wieder nach Hause.
    Die Kurzatmigkeit hatte sich in der Nacht gleich gebessert und sie hatte gut geschlafen. Jetzt fühlte sie sich wieder gut. Einzig dieser eigenartige, aufwühlende Traum schaffte eine leichte Unruhe in ihr.
    Gleich am Morgen war Anna zur Magnetresonanztomographie, kurz MRT genannt, gekommen. Mittels Magnetresonanz wollten die Ärzte feststellen, wie sich die Metastasen und Tumore verändert und im Körper ausgebreitet hatten. Danach hatten sie und Stella Zeit zum Frühstücken.
    "Ich hoffe, du hast nicht zu starke Kreuzschmerzen", sagte Anna zu Stella, an den unbequemen Stuhl im Krankenzimmer denkend.
    Sie saßen an einem Tisch im hellen Speiseraum der Station. Patienten, die aufstehen konnten, konnten hier in Gesellschaft frühstücken. Es war beinahe wie auf Kur, eine lockere und freundliche Atmosphäre umgab die Patienten. Der Tod war nicht allgegenwärtig, entgegen Annas ersten Befürchtungen.
    "Nein, nein, geht schon", antwortete Stella, die gerade eine Semmelhälfte mit Marmelade bestrich. "Hauptsache, du bist zur Ruhe gekommen."
    Anna nahm einen vorsichtigen Schluck vom heißen Tee, dann antwortete sie: "Es geht schon viel besser. Gut, dass wir gleich gefahren sind."
    Tags zuvor hatten Anna und Stella den Nachmittag, nachdem Erwin unbemerkt wieder gefahren war, in aller Gemütlichkeit auf der Terrasse im Schatten der Weinlaube genossen. Sogar Jonathan war bei ihnen gesessen und hatte den Erzählungen aus früheren Zeit gelauscht. Hin und wieder fragte er Anna sogar etwas, was Stella ganz verwunderte. Sie sagte aber nichts dazu, um die Harmonie nicht zu zerstören.
    Am späten Nachmittag hatte Anna über Rückenschmerzen geklagt. Sie schob es jedoch auf das lange Sitzen auf der Terrasse. Im Laufe des Abends waren die Schmerzen schlimmer geworden und sie hatte Atemnot bekommen. Das wiederum versetzte sie in Panik und sie hatte noch weniger Luft bekommen. Stella hatte dann das einzig Richtige in dieser Situation getan, sich Anna geschnappt und war mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Jonathan, der die ängstliche Stimmung mitbekommen hatte, war allein und besorgt zurück geblieben.
    Während Stella gedankenversunken noch die Semmel fertig frühstückte, blätterte Anna in einem Prospekt über die Palliativstation. Noch nie hatte sie sich über diese Form der Betreuung Gedanken gemacht. In der Zeit, in der sie aufgewachsen war, sogar bis vor ein paar Jahren, war die Sterbebegleitung ein Thema gewesen, über das nicht großartig geredet wurde. Nun gab es in fast allen größeren Städten einen Hospizdienst und auch am Land war die Versorgung durch mobile und ehrenamtliche Hospizhelfer gewährleistet. All das erfuhr Anna in dieser Broschüre.
    "Irgendwie schön zu sehen, dass der Tod nicht mehr verschwiegen wird. Eigentlich gehört er ja zum Leben genauso dazu, oder?" Anna sah Stella mit wachem Blick an.
    Stella ließ, überrascht von dem Themenwechsel, ihre Tasse sinken, die sie gerade zum Mund führen wollte. "Ja, aber trotzdem ist es ein schwieriges Thema", antwortete sie langsam. "Niemand verliert gerne jemanden, den er liebt, auch wenn es zum Leben dazu gehört." Sie legte ihre Hand auf Annas Arm.
    "Andererseits können wir dann wieder bei unseren Liebsten sein", sagte Anna leise.
    "Denkst du denn, dass es so ist?"
    "Ja, ganz bestimmt." Anna versuchte überzeugt zu klingen. Immerhin war dieser Gedanke ihre größte Hoffnung. Dass es nach dem Leben etwas gab, worauf sie hoffen konnte. Und dass sie mit ihren Liebsten zusammen sein

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