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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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Wer konnte das sein? Und wieso tauchte dieser Name auf, wenn Anna erwachte?
    Erni sprach flüsternd mit Anna. Stella hatte nicht viel verstanden, aber sie hatte gemerkt, dass ihre Mutter sich sichtlich entspannt hatte und schließlich eingeschlafen war.
    Erwin setzte sich zu Anna ans Bett und wollte bei ihr bleiben, falls sie aufwachte.
    Stella ging mit Erni hinunter in die Küche. Jonathan war bereits nach Hause gefahren.
    "Danke, dass Sie meine Mutter beruhigt haben. So aufgelöst habe ich sie noch nie gesehen." Erschöpft rieb sich Stella die Augen. Wo war die Energie hin, die sie am Vortag getankt hatte? Sie fühlte nichts mehr davon.
    Erni winkte ab. "Deshalb bin ich ja hier", sagte sie.
    "Wie wird es jetzt weitergehen?" Stella machte sich einen Kaffee. "Wollen Sie auch einen?"
    "Ja, gerne." Erni lächelte.
    Stella war froh, dass sie sich nicht gegen die Hospizbetreuung gewehrt hatte. Erwin und Aurelia hatten recht gehabt: Es würde immer schlechter werden mit Anna, ob sie wollte oder nicht. Mit dem Hospiz war Anna ein Sterben in Würde möglich. Und Erni war eine liebenswerte Person, die Ruhe und Kraft ausstrahlte. Sie würde ihrer Mutter gut tun.
    Stella stellte die Tasse vor Erni auf den Tisch. Sie setzte sich.
    "Nun, in der Regel kommen wir mehrmals pro Woche", antwortete sie auf die Frage von Stella. "Je nach Bedarf. Wir sprechen dann mit den Patienten, sind für sie da."
    "Und Sie verlangen nichts dafür?" Stella war erstaunt. Sie selbst hatte noch nie ehrenamtlich gearbeitet und konnte sich nicht vorstellen, dass jemand unentgeltlich viel Zeit für fremde Menschen opferte.
    "Nein, wir verlangen nichts." Erni lächelte wieder.
    "Seit wann machen Sie das?" Stella war neugierig geworden.
    "Puh, ich glaube, jetzt werden es bald schon acht Jahre."
    Stella war fasziniert. "Wie kommt man darauf? Ich meine, es ist ja doch nicht alltäglich, Menschen beim Sterben zu begleiten."
    "Nein, das ist es tatsächlich nicht." Erni nickte und nahm einen Schluck Kaffee. "Die Leute reden nicht gerne darüber. Der Tod wird oft totgeschwiegen, im wahrsten Sinne des Wortes. Vor neun Jahren, als mein Großvater starb, war ich dabei. Ich hatte noch nicht viel mit dem Thema zu tun gehabt, es war alles neu für mich. In dem Moment, als er starb, fühlte ich, dass da etwas ganz Großes, Wichtiges vor sich geht. Etwas, das zum Leben dazu gehört. Danach habe ich mich mit Sterbebegleitung auseinandergesetzt, den Kurs absolviert und seitdem bin ich ehrenamtlich tätig."
    "Wow", flüsterte Stella. "Aber, ist das nicht sehr traurig, wenn man so viele Menschen sterben sieht?"
    "Wie soll ich sagen?" Erni dachte kurz nach. "Man gewöhnt sich irgendwie daran und ich weiß einfach, dass das Sterben zum Leben dazu gehört. Das eine geht nicht ohne dem anderen. Und oftmals sind es sehr berührende, lehrende Momente. Man nimmt eigentlich aus jeder Erfahrung etwas mit, das man selbst im Leben brauchen kann." Sie lächelte wieder.
    Stella war beeindruckt. Erni wirkte so stark und so selbstsicher. Es tat gut, mit ihr zu sprechen.
    "Was denken Sie, wie lange es bei meiner Mutter dauern wird?"
    Erni zuckte die Schultern. "Das kann man nicht sagen. Wichtig ist, dass man die Zeit, die man noch hat, nutzt. Alles andere kommt von selbst."
    Und wieder lächelte sie.
     
     
    Anna
     
    Unüberwindbar stand sie da. Dicht, grün, hoch. Die Hecke, die Johann vor vielen, vielen Jahren gepflanzt hatte.
    Sie war ihr Wunsch gewesen. Dicht musste sie sein, und stabil. Und dahinter ein fester Zaun, am besten aus Holz.
    Johann hatte nie nachgefragt, sondern den Zaun nach ihren Wünschen gebaut. Er hatte gewusst, dass es seiner Frau wichtig war, doch warum, das hatte sie nie gesagt.
    Nur einmal hatte er gefragt, warum sie keine Flüsse mochte, doch sie hatte sich sofort verschlossen und kein Wort gesagt. Seit dem hatte er das Thema nicht mehr angesprochen.
    Was Johann nicht wusste: Sie wollte den Bach fernhalten. Niemand sollte vom Garten aus hinüber können. Zu gefährlich kam ihr das Gewässer vor, dabei war es nur ein kleiner Bach; im Sommer sogar nur ein Rinnsal.
    Der Fluss, in den Justus gefallen war, war viel größer und tiefer gewesen. Er war dunkelgrün, erinnerte sie sich. Und er floss schnell und laut. Die Wellen klatschten gegen die Steine und Felsen, die sich dem Flusslauf in den Weg gestellt hatten. Noch heute konnte sie diese Geräusche im Kopf hören.
    Sie schüttelte sich. Erfolgreich hatte sie die Erinnerungen verdrängt gehabt, nun waren sie wieder

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