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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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Schlafzimmer.
    Viel zu schnell war die Nacht vorüber gegangen. Am liebsten hätte sie noch stundenlang weiter geträumt, doch sie wachte mit dem ersten Zwitschern der Vögel auf und blickte um sich. Justus war weg. Was blieb, war seine Stimme in ihrem Kopf, wie ein weit entferntes Echo, das nur langsam verklang.
    Anna stand auf und blickte in das Zimmer nebenan. Stella schlief noch. Also zog sie sich leise an und schlich nach unten.
    In der Küche öffnete sie die Terrassentür und sog die frische Luft tief ein. Es war ein herrlicher Morgen.
    Anna bemerkte, dass der getrocknete Strauß Lavendel an der Wand neben der Tür nicht mehr so intensiv roch. Sie ging in den Garten und holte einen frischen Bund und hängte ihn mit einer Schnur an den Nagel an der Wand. Wie gut er duftete!
    Sie setzte sich unter den Nussbaum. Im Garten herrschte reger Betrieb. Die Vögel flogen aus, um Futter zu suchen, die ersten Fliegen setzten sich in den frühen Sonnenstrahlen auf die Hausmauer und unter der Hecke raschelte es. Wahrscheinlich eine kleine Maus, dachte Anna.
    Es machte ihr nichts aus. Solange diese kleinen Nager unter der Hecke blieben und nicht in den Garten kamen, um Wurzeln und Gemüse zu fressen, konnten sie bleiben, wo sie waren.
    Das Loch in der Hecke fiel ihr ein. Ob es tatsächlich da war? Oder war es nur ein Traumgebilde?
    Sie stand auf um nachzusehen.
    Sie versuchte sich zu erinnern, wo der blonde Schopf von Justus durch die Hecke geguckt hatte. War es hinter den großen Steinen gewesen, wo der Lavendel neben den Rosen wuchs? Anna war sich nicht sicher. Sie kroch auf allen Vieren im feuchten Gras und suchte mit den Händen die Hecke ab. Irgendwo musste es doch sein?!
    "Mama! Was machst du da?"
    Anna fuhr erschrocken hoch. Ihre Knie waren ganz nass und die Hände voll Spinnweben.
    Stella stand auf der Terrasse und starrte ungläubig auf sie. "Was machst du da?", fragte sie noch einmal mit großen, sorgenvollen Augen.
    "Ich ... da ... ich wollte ..." Anna ließ die Hände sinken. Wie sollte sie das erklären? "Da war eine Maus", meinte sie schließlich und stand auf.
    Stella schien sich mit der Antwort zufriedenzugeben. Sie wandte sich um. "Ich mach' uns Frühstück!", rief sie noch über die Schulter, ehe sie im Haus verschwand.
     
     
    Jonathan
     
    Stella hatte darauf bestanden, dass er beim ersten Gespräch mit der Mitarbeiterin von der Hospizbewegung dabei war. Eigentlich hatte er keine Lust gehabt, doch wenn er sich weigerte, würde er womöglich wieder bei Oma schlafen müssen, und das wollte er nicht riskieren. Obwohl, vielleicht würde er Sybille dann wieder sehen?
    Seit ihrer Begegnung auf der Straße waren sie sich nicht mehr über den Weg gelaufen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Auch Frau Huber sah er kaum. Um die war ihm aber nicht leid. Auf deren verzücktes, gräßliche Grinsen und Geschrei konnte er gut und gerne verzichten.
    Erwin war ebenfalls bei dem Gespräch anwesend. Aurelia hatte Stella davon überzeugen können, dass er ein Recht hatte, dabei zu sein. Stella hatte schließlich nachgegeben.
    Aurelia selbst war nicht dabei. Sie war mit den Kindern zu Gabriela gefahren, damit die vier engsten Familienmitglieder in Ruhe reden konnten.
    Erni von der mobilen Hospizbetreuung war eine ruhige, freundliche Frau. Jonathan schätzte sie auf Mitte Vierzig. Für ihn war sie alt, doch seine Oma hatte ihm bei ihrem Anblick zugeraunt, welch hübsche junge Frau das nicht sei. Es schien also Ansichtssache zu sein.
    Sie saßen in der Küche um den Tisch. Stella hatte Tee und Kaffee gemacht und Kekse hingestellt. Jonathan begnügte sich mit einem Glas Wasser. Er war gespannt, was Erni mit ihnen reden würde. Er konnte sich kaum vorstellen, dass jemand ein beruflicher Sterbebegleiter war!
    "Danke für die Einladung", begann Erni. Ihre Stimme war leise, aber leicht zu verstehen, sie sprach ruhig und sah jedem in die Augen, selbst Jonathan, der scheinbar gelangweilt zurückgelehnt auf der Bank saß und Kaugummi kaute.
    "Vorweg einmal möchte ich kurz erklären, was die Hospizbewegung macht. Wir sind ehrenamtliche, fachlich ausgebildete Hospizmitarbeiterinnen und wollen die Lebensqualität der Kranken und ihrer Angehöriger, also Ihnen, verbessern."
    Soviel zum beruflichen Sterbebegleiter, dachte Jonathan.
    "Wir drängen uns nicht auf, sondern kommen nur, wenn die Patienten und Angehörigen es wünschen. Da ich auf Ihren Wunsch hier bin, freue ich mich, dass Sie diesen Schritt gemacht haben." Wieder blickte

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