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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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Metastasenbildung? Was würde er tun? Er wusste es nicht. Er wollte auch gar nicht daran denken. Es war so schon schwer genug, mit all dem Leid konfrontiert zu werden.
    Immer öfter musste er als Arzt die schreckliche Diagnose stellen und immer öfter hatte er keine Chance gegen die Krankheit, obwohl die Medizin schon so fortgeschritten war.
    Wütend schlug er mit der Hand auf das Lenkrad, dann besann er sich, atmete tief durch und lauschte den Anweisungen des Navigationsgerätes, das ihn die letzten Meter zum Haus führte.
    "Dr. Werneck! Schön, dass Sie gekommen sind!" Stella öffnete die Tür. Ihre Haare waren nass und fielen in leichten Locken über ihre Schulter.
    "Tut mir leid, dass es nicht eher ging. Ich wurde noch aufgehalten."
    "Kein Problem." Stella winkte lachend ab. "Kommen Sie doch herein."
    Sie führte ihn durch den Flur in die Küche. Erwin saß am Tisch. Er hatte ebenfalls nasse Haare.
    "Herr Lukas, schön Sie zu sehen." Sie schüttelten einander die Hände. "Ich scheine wohl doch zu früh zu sein." Er sah auf die Geschwister.
    Stella winkte ab. "Nein, nein." Sie lachte.
    Es war ein gelöstes, fröhliches Lachen, das ihm gefiel.
    "Wir hatten im Garten zu tun und waren völlig verdreckt", erklärte sie. "Setzen Sie sich doch."
    "Danke. Wie geht es Ihrer Mutter?"
    Stella blickte lächelnd nach oben, als könnte sie durch die Decke zu Anna sehen. "Ganz gut. Man merkt zwar, dass es immer schlimmer wird mit den Schmerzen und der Übelkeit, aber sie hat dazwischen wieder ganz gute Phasen."
    "Haben Sie noch genug Schmerzpflaster?"
    "Ja, Dr. Schreiber, unser Hausarzt, war erst gestern hier, hat nach dem Rechten gesehen und uns Rezepte dagelassen."
    "Gut." Dr. Werneck blickte auf seine Hände. Er wusste nicht, wie er am besten fragen sollte, ohne unhöflich zu sein. "Haben Sie ...", er gab sich einen Ruck. "Haben Sie bei der Hospizbewegung angerufen?"
    Erleichtert bemerkte er, dass Stella und Erwin nickten.
    "Ja, es war sogar schon jemand da." Stella lächelte.
    "Wer war es?"
    "Erni", antwortete Erwin.
    "Ah, dann sind Sie ja in guten Händen!"
    Dr. Werneck erinnerte sich an Erni. Er hatte sich Jahre nach Marias Tod endlich durchgerungen, beim Hospiz anzurufen. Durch viele Gespräche mit Erni konnte er seinen Zorn auf die schreckliche Krankheit besänftigen und das Geschehene leichter verarbeiten. Er war dankbar, dass die Hospizbewegung auch für Angehörige und Hinterbliebene da war, auch wenn diese Einsicht für ihn zu spät kam.
    "Nimmt Ihre Mutter die Begleitung an?"
    Stella nickte. "Ja, sie ist ganz begeistert von Erni. In ihrer Nähe wird sie gleich ganz ruhig."
    "Wie oft kommt sie?"
    "Je nachdem." Sie zuckte mit den Schultern. "Morgen schaut sie wieder vorbei."
    "Gut." Dr. Werneck nickte. Er war erleichtert, dass Anna den Tatsachen ins Auge zu sehen schien. Vielleicht konnte wenigstens sie ihre Dinge noch erledigen. "Und wie geht es Ihnen?" Seine Stimme war leiser geworden, der Blick eindringlicher.
    Stella sah erstaunt auf. "Mir?" Sie zögerte. "Es geht. Man gewöhnt sich langsam daran, auch wenn es sehr schwer ist. Das kann man wohl nur nachempfinden, wenn man selbst in dieser Situation war." Sie machte einen kurze Pause. "Haben Sie schon einmal jemanden durch Krebs verloren?"
    Dr. Werneck sah immer noch in ihre Augen. Das Blau darin faszinierte ihn. Es war so klar, so rein, so ehrlich. "Ja", antworte er schließlich. "Ja, habe ich. Meine Mutter", fügte er hinzu.
    "Dann wissen Sie bestimmt, wie schwer es ist."
    "Ja, das weiß ich. Es ist sehr, sehr schwer."
     
     
    Erwin
     
    Sie unterhielten sich, als wäre er gar nicht da. Als wäre er unsichtbar. Aber er verübelte es Stella nicht. Er wüsste sowieso nicht, was er sagen sollte.
    Über den Tod zu sprechen war schon nicht leicht, über den Tod der Mutter zu sprechen war noch viel, viel schwerer. Erwin wollte nicht daran denken. Wollte die Tatsache, dass es von Tag zu Tag schlechter um Anna stand, nicht wahrhaben.
    Der Tag war gut gewesen. Annas Impuls, die Hecke und den Zaun niederzureißen, war überraschend gekommen, aber es hatte Spaß gemacht. Er kam selten zu körperlich anstrengenden Arbeiten. In der Arbeit saß er meist den ganzen Tag in seinem Büro und koordinierte Lieferungen, Bestellungen und Kundentermine.
    Beinahe Hand in Hand hatten er, Stella und Jonathan im Garten geschuftet. Meter für Meter war das Hindernis weniger geworden.
    Es sah nun so ganz anders aus im Garten von Anna. Viel freier. Man sah auf das angrenzende Feld und in

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