Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
Vom Netzwerk:
Sonnenscheibe über den Hügeln in der Ferne erhob.
    "Warte", wiederholte Justus.
    Der erste Sonnenstrahl erreichte die beiden. Sie standen mitten im Feld, umgeben von kniehohen Grashalmen.
    "Jetzt!"
    Sie drehte sich um und traute ihren Augen nicht. Die ganze Wiese war übersät von Spinnweben, in denen sich Tautropfen gefangen hatten. Je höher die Sonne stieg, desto mehr funkelten und glänzten die Tropfen.
    "Das sind Feenhaare, Schwesterchen", erklärte Justus. "Kennst du die?"
    Sie nickte. "Ich habe sie aber noch nie so schön gesehen!", sagte sie atemlos.
    Es funkelte in allen Farben des Regenbogens. Geblendet schloss sie ihre Augen, um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Sie wollte keine Sekunde verpassen.
    "Du weißt, was das bedeutet, oder?"
    Wieder nickte sie. "Es wird Herbst."
    "Ja, Schwesterchen. Es wird Herbst. Nutz' die Zeit."
    Dann war er verschwunden und sie wurde von Dunkelheit umhüllt.
     
     
    Stella
     
    Es rückte näher. Das spürte sie. Von Tag zu Tag näherte es sich mehr und mehr und hüllte Anna ein.
    Das Unausweichliche.
    Stella hatte sich in den letzten Wochen davor gefürchtet, doch je präsenter es wurde, umso ruhiger wurde sie.
    Anna schlief die meiste Zeit nur noch, aß fast nichts mehr, trank nur noch kleine Schlucke. Dr. Schreiber tat schmerzmedikativ was er konnte, der Rest lag bei Anna.
    Stella betrachtete das schlafende Gesicht ihrer Mutter. Sie war allein bei ihr. Erwin war zuhause, Erni kam erst morgen früh wieder.
    Es würde nicht mehr lange dauern, hatte sie gesagt. Die Krankheit hatte schnell und lautlos gewütet, das Ergebnis war eine ausgezehrte Anna, die kaum noch Kraft hatte. Und auch keinen Willen, wie Stella bemerkt hatte.
    Anna hatte ihr alles von Justus erzählt, was sie noch wusste. Stundenlang hatte sie von diesem bezaubernden Jungen gesprochen. Hatte Erwin und Stella und ihren Enkelkindern von ihm erzählt. Doch was nur Stella wusste: Er war wiedergekommen.
    Anfangs wusste sie nicht, wie sie mit diesen seltsamen Träumen ihrer Mutter umgehen sollte, doch schließlich hatte sie einfach nur zugehört und war dankbar gewesen, dass Anna durch diese Träume ihren Frieden mit Justus gefunden hatte.
    Anna stöhnte leise im Schlaf.
    Stella nahm ihre Hand. Sie lag schlaff auf der Decke und war kühl. Rasch steckte Stella sie unter die Decke. Ob ihr wohl kalt war?
    Sie stand auf und schloss das gekippte Fenster. In der Nacht war es kühl draußen. Der Herbst war spürbar und auch sichtbar. Nach und nach verwelkten die Blumen und Blätter im Garten.
    Stella schloss den Vorhang und setzte sich wieder ans Bett. Sie war zur Untätigkeit verbannt. Wenn Anna schlief, blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten und zu wachen. Sie wollte Anna nicht alleine lassen. Zu groß war die Angst, dass genau in diesem Moment des Alleinseins etwas geschehen könnte. Dass genau in diesem Moment das Unausweichliche passiert und ...
    Sie unterbrach ihre Gedanken. Sie wollte nicht daran denken. Sie konnte nicht daran denken. Noch nicht.
    Wenn sie auf Anna blickte, dann wusste sie, dass ihre Mutter den Kampf verloren hatte. Einen Kampf, den sie nicht einmal richtig beginnen konnte, weil er von vornherein verloren war. Oder hätte sie ihn doch gewinnen können? Hätte sie mit sofortiger Chemotherapie eine Chance gehabt?
    Sie seufzte. Es brachte nichts, über das Wenn und Hätte nachzudenken. Es war, wie es war. Sie musste es akzeptieren.
    Anna schlief wieder ruhiger. Ihr Atem ging gleichmäßig. Stella setzte sich auf den Stuhl. Sie holte ihr Smartphone aus der Hosentasche und begann im Internet zu suchen. Was sie suchte, das wusste sie selbst nicht so recht, aber sie wollte nicht nur untätig neben ihrer Mutter sitzen. Sie musste doch irgendetwas tun können, um es Anna so schön wie möglich zu machen.
    Zehn Minuten später hatte sie etwas gefunden. Snoezelen. Das war es. Eine Wortschöpfung aus den holländischen Wörtern snuffeln und doezelen, also schnuppern und dösen. Eigentlich für Menschen mit schweren, geistigen Behinderungen entwickelt, soll es auch als Entspannung oder Sinnesanregung bei Kindern, oder eben auch bei Sterbenden genutzt werden.
    Stella sah sich online verschiedene Bilder von Snoezelenräumen an. Vor ihrem geistigen Auge entstand ein heller, warmer Raum, der die Sinne, wie Sehen, Riechen, Hören und Tasten, über verschiedene Materialien stimulierte.
    Ein Wasserbett hatte sie zwar nicht zu bieten, aber sanftes Licht, Wärme und leise Musik waren schnell

Weitere Kostenlose Bücher