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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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uns versöhnt. Und dafür bin ich ihr sehr dankbar." Ernst blickte er Stella an.
    "Wieso hast du nie etwa gesagt?" Ihre Stimme zitterte.
    "Ich wollte Mutters Bild von Vater nicht zerstören. Es war nicht seine Schuld. Er hat getan, was er konnte. Ich wollte nicht, dass Mutter enttäuscht von ihm ist."
    Stella schwieg, dann sagte sie langsam: "Ich verstehe. Du hast wohl auch getan, was du konntest."
    Sie sagte es ruhig, fast tonlos. Nicht vorwurfsvoll, was ganz etwas Neues für Erwin war.
    Er wusste, es war keine Entschuldigung und auch kein Verzeihen von Stella, aber er war auf dem richtigen Weg. Mehr konnte er nicht tun.
     
     
    Stella
     
    Sie wusste nun, warum er so gehandelt hatte, jedoch schaffte sie es nicht, ihn um Verzeihung zu bitten. Eineinhalb Jahrzehnte hatte sie ihm gegrämt, und nun sollte sie alles vergessen? Sich eingestehen, dass sie engstirnig gewesen war? Dass sie nie etwas anderes hören wollte, als dass ER den Familienbetrieb vernichtet hatte?
    Die Wahrheit war schmerzlich für sie. Ihr Vater, der immer nur geschuftet und für die Familie gesorgt hatte, soll den Betrieb an die Wand gefahren haben? Hatte er sich so überschätzt? Konnte es so gewesen sein?
    Erwin war nach Hause gefahren, nachdem Stella nichts mehr gesagt hatte. Stumm hatten sie sich angesehen, dann war er wortlos zur Tür hinausgegangen und hatte sie mit ihren verwirrenden Gedanken zurückgelassen.
    Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte die vielen Gedanken aus dem Kopf verbannen, doch es ging nicht.
    Was sollte sie tun? Mit Anna reden? Ihr in der schwersten Zeit ihres Lebens sagen, dass der Greißlerladen kurz vorm Konkurs stand? Dass Erwin richtig gehandelt hatte?
    "Scheiße", flüsterte Stella. Auf der immer noch heißen Herdplatte blubberte der Grießbrei. Sie hatte vergessen, ihn vom Herd zu nehmen. Schnell rührte sie um, doch der Boden war bereits angebrannt.
    "Scheiße, scheiße, scheiße!"
    Wütend stieß sie den Topf in die Spüle, ließ Wasser nachlaufen und setzte sich an den Tisch. Mit dem Kopf auf die Hände gestützt saß sie da und dachte nach.
    Sie dachte an das Geschäft "Waren-Lukas"; an die Düfte, die darin waren; an das Geräusch, das die vielen kleinen Schubladen gemacht hatten, wenn man sie geöffnet und wieder verschlossen hatte. Darin waren Süßigkeiten, Schnüre, Fäden und Kräuter gelagert gewesen. Und sie dachte an das Gebimmel, das die Türglocke gemacht hatte, wenn ein Kunde hereingekommen war.
    Klimmbimm. Klimmbimm.
    Wie oft hatte es am Tag geläutet? Zwanzigmal? Zehnmal? Oder noch weniger? War die Lage tatsächlich so schlecht gewesen?
    Stella ließ die Hände sinken und blickte auf die Wand. Ein Schwarzweißfoto zeigte ihren Vater mit Anna und Erwin vor einem Gebäude stehen. Stolz lächelten alle drei in die Kamera. Annas Bauch wölbte sich unter dem Kleid. Im Hintergrund war eine Auslage. Darin war ein Schild, auf dem mit großen schwarzen Lettern "Waren-Lukas" stand. Darunter: "Ihr Generationen-Greißlerladen mit Waren von A bis Z". Dreißig Jahre später war das Schild weg, das Geschäft geschlossen und Johann tot.
    Stella versuchte sich an die letzten Jahre zu erinnern. Ihr Vater hatte bis zur Pensionierung bis zu zwölf Stunden am Tag gearbeitet und auch Anna war täglich im Laden anwesend gewesen. Sie hatte sich um Kunden gekümmert, das Geschäft sauber gehalten und Bestellungen im Überblick behalten. Wie hatte sie die finanzielle Lage übersehen können?
    Stellas Gedanken kreisten wie wild in ihrem Kopf. Schließlich stand sie auf. Sie hatte entschieden, was sie tun würde. Doch zuerst musste sie frischen Grießbrei zubereiten.
     
    "Mama?"
    Anna drehte den Kopf zu Stella. "Hm?"
    "Wie geht es dir?"
    "Ganz gut. Ich bin nur so müde. So kraftlos."
    "Hast du noch Hunger?" Sie kam mit einer heißen Schüssel herein.
    Anna nickte. "Ja, ein bisschen. Vielleicht wird die Übelkeit dann ein wenig besser." Sie versuchte zu lächeln, es misslang jedoch. Gequält sah sie Stella an und nahm die Schüssel. Vorsichtig aß sie ein paar Löffel von dem Brei.
    Stella setzte sich zu ihr und lächelte sie aufmunternd an. "Soll ich dir was erzählen?"
    Anna nickte erwartungsvoll.
    Und dann erzählte Stella ihrer Mutter von früher, als sie mit ihrem Vater ganze Samstage im Geschäft verbracht hatte. Von einem kleinen Mädchen, das voller Stolz bei der Kundenbetreuung geholfen, Regale abgestaubt und Wechselgeld ausgegeben hatte. Eine fleißige kleine Biene war sie gewesen, hatte ihr Vater immer anerkennend

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