Lavendel und Blütenstaub
Schritt für Schritt nach oben. Was würde sie wohl erwarten? Was konnte Anna von ihr und Erwin wollen?
Sie ging ins Schlafzimmer und sah sich um. Es war dunkel. Nur die Wassersäule in der Ecke und einige Kerzen spendeten Licht. Die Vorhänge waren zugezogen. Sogar eine Decke hing vor den Vorhangstangen.
Gabriela wunderte sich.
"Ihr war es zu hell", sagte Erni, als ob sie ihre Gedanken erraten hätte. "Manche Menschen empfinden das Tageslicht am Ende ihrer Zeit als zu hell oder Geräusche als zu laut", erklärte sie. "Es ist, als ob ihre Sinne um ein vielfaches geschärft wären."
Gabriela nickte verstehend. In Wirklichkeit verstand sie nicht.
"Schläft sie?", fragte sie mit Blick auf Anna. Sie fühlte sich unwohl, so ganz ohne Erwin in seinem Elternhaus. Wo war er nur?
"Ja, aber ich werde sie wecken und ihr sagen, dass Sie hier sind. Sie hat auf Sie gewartet."
"Nein, dass ...", doch Erni hörte nicht.
"Anna? Wachen Sie auf. Sie haben Besuch." Sanft streichelte Erni Annas Schulter und drückte ihre Hand.
"Sie wollte unbedingt geweckt werden, wenn Sie da sind", erklärte sie an Gabriela gewandt.
Anna öffnete die Augen. Sie sah um sich und entdeckte Gabriela.
"Da bist du ja." Sie versuchte sich aufzurichten.
Erni half ihr und rückte ihr Kissen in ihrem Rücken zurecht.
"Ich werde euch alleine lassen. Rufen Sie, wenn Sie etwas brauchen, Gabriela."
Sie nickte.
"Komm her. Setz' dich zu mir", sagte Anna.
Sie wirkte müde, aber ihre Stimme war klar. Kein Vergleich mit Aurelias wirren Erzählungen.
Sie nahm auf dem Stuhl neben Annas Bett Platz.
"Wie geht es dir?", fragte sie, ohne zu wissen, was sie sonst sagen sollte. Der durchsichtige Schlauch unter Annas Nase irritierte sie. Sie versuchte jedoch nicht darauf zu blicken, sondern setzte ein freundliches Gesicht auf, in der Hoffnung, dass es ihre Nervosität und ihr Unbehagen überdeckten würde.
Anna ignorierte ihre Frage und sagte stattdessen: "Du fragst dich bestimmt, warum ich dich und Erwin zu mir gebeten habe."
Gabriela nickte langsam.
"Ich weiß nicht, wie lange ich noch die Gelegenheit haben werde, zu euch zu sprechen. Eigentlich dachte ich, dass ihr gemeinsam kommen würdet, so wie immer, aber nun bist du alleine hier."
"Erwin muss jeden Moment kommen. Er wird wohl in der Arbeit noch aufgehalten worden sein", erklärte Gabriela rasch und deutete zur Tür.
Anna winkte ab. "Nein, schon in Ordnung. Mir ist es recht so. Ich wollte dich ohnehin alleine sprechen."
Gabriela blickte sie erstaunt an und spannte ungewollt ihren Körper an. Was würde jetzt kommen?
"Ich wollte dir danken."
Was? Hatte sie richtig gehört?
"Ich wollte dir für deine Treue zu Erwin danken. Ich habe es noch nie gewagt auszusprechen, aber nun ist der Zeitpunkt gekommen. Wenn ich es jetzt nicht sage, dann nehme ich es mit ins Grab und es wird für alle Zeit unausgesprochen sein."
Stocksteif saß Gabriela auf dem Stuhl. Ihre Hände waren schweißnass.
"Ich weiß, dass ich dir keine gute Schwiegermutter war."
"Aber ..."
"Nein, sag jetzt nichts. Lass mich aussprechen, solange ich die Kraft habe!"
Gabriela schloss ihren Mund und sah Anna erwartungsvoll an.
"Weißt du noch, wie gut wir uns verstanden hatten? Wie schön eure Hochzeit war und wie sehr wir uns freuten, dich in unsere Familie willkommen heißen zu können?" Sie lächelte.
Gabriela nickte. Sie erinnerte sich an ihre Traumhochzeit mit über einhundert Gästen. Johann und Anna hatten einen großen Teil dazu beigetragen, dass sie so ausgelassen und sorglos feiern hatten können.
"Und dann habt ihr Aurelia bekommen. Ich war so stolz auf mein erstes Enkelkind. Eine bezaubernde Tochter hast du, die mir sehr ans Herz gewachsen ist."
Sie nahm Gabrielas Hand und hielt sie fest, noch ehe sie sie zurückziehen konnte.
"Bis zum Tag, an dem der Laden verkauft wurde, hätte ich die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass mir nichts wichtiger ist als meine Familie. Ich war mir so sicher, dass wir alle für immer glücklich sein würden."
Gabriela wollte ihre Hand aus Annas Griff lösen, doch sie hielt sie fest.
"Es war eine schlimme Zeit und ich war auch lange auf dich böse, da ich dachte, dass du selbstsüchtig auf Erwin eingewirkt hattest. Doch ich habe mich getäuscht. Deshalb wollte ich dich sprechen."
Sie brach ab und straffte fast unmerklich die Schultern. Es schien ihr schwerzufallen weiter zu sprechen.
"Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid."
Gabriela war völlig perplex. Sie hatte mit
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