Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
erzeugt in Verbindung mit hellem Goldhaar den Eindruck einer Sahnetorte mit Zuckerglasur. Ein Gentleman betrachtet eine solche Torte und denkt sich, nun, das ist aber eine verlockende Köstlichkeit. Wenn sie zu haben ist, genehmige ich mir einen oder zwei Bissen und werfe den Rest fort.«
Lady Wortham lief vor Schreck und Entrüstung rot an. »Eine rosa-weiße Sahnetorte? Meine Tochter? Wie können Sie es wagen, Sir?«
»Nun ja, eine Glasurtorte hat weder Substanz noch Stil und hinterlässt auf der Zunge keinen bleibenden Eindruck.« Pierce fuhr in seiner Arbeit fort, ohne Lady Worthams empörter Miene Beachtung zu schenken. »Wenn man eine Dame mit Miss Priscillas Haar und edlem Profil in einem dunkleren, in Edelsteinfarben gehaltenem Kleid präsentiert - in Smaragdgrün vielleicht oder tiefem Saphirblau —, dann sieht man keine Sahnetorte mehr vor sich.«
»Was sieht man dann?«, wollte Lady Wortham wachsam wissen.
»Eine Göttin.«
Lady Wortham blinzelte. »Eine Göttin? Meine Priscilla?«
Pierce sah Priscilla im Spiegel an. »Haben Sie ein solches Kleid in Ihrer Garderobe, Madam? Wenn nicht, müssen Sie sofort einen Termin bei Ihrer Schneiderin verabreden.«
»Nun ja«, murmelte Priscilla., »da wäre das neue Laufkleid, das Tante Beatrice mir zum Geburtstag machen ließ.«
»Ich glaube nicht, dass es ihr passt«, sagte nun Lady Wortham unsicher. »Beatrice bestellte es, ohne mich um Rat zu fragen.«
»Lassen Sie es mich ansehen«, ordnete Pierce an.
»Ich hole es.« Emeline sprang auf. »Ich finde, dass es sehr hübsch ist.«
Sie ging an den Schrank und nahm das neue Kleid heraus. Alle sahen gebannt das türkise Kleid an, während sie auf das Urteil des Friseurs warteten.
»Perfekt.« Pierce verbeugte sich vor Priscilla. »Absolut perfekt.« Er wandte sich an Lady Wortham. »Sie können beruhigt sein, Madam. Die Männerwelt wird vor Miss Priscilla anbetend auf die Knie fallen.«
Wenig später starrte Lady Wortham Priscilla wie hypnotisiert an. »Unglaublich. Einfach hinreißend. Nie hätte ich gedacht, dass ein so schlichter Schnitt so elegant wirken könnte.«
Pierce glättete Priscillas locker arrangiertes Haar mit professionellem Stolz. »Schlichtheit ist gleichbedeutend mit wahrer Eleganz, Madam.«
Emeline war fast ebenso verblüfft wie Lady Wortham. Pierce hatte die gegenwärtige Mode mit ihren kunstvollen, geflochtenen Rollen und Löckchen negiert. Priscillas Haar war aus dem Gesicht gekämmt und unter Zuhilfenahme einiger Haarklemmen hoch auf dem Hinterkopf zu einem anmutigen Knoten geschlungen. Die Frisur betonte die lange, elegante Halslinie und das edle Profil. Nur ein paar zarte Löckchen tanzten vor ihren Ohren.
Priscilla war immer reizend gewesen, dachte Emeline, nun aber wirkte ihre Freundin selbstsicherer und unbefangener. Um sie war ein Hauch weibliches Mysterium, das ihr zuvor gefehlt hatte.
»Priscilla, du siehst großartig aus«, flüsterte Emeline.
Priscilla errötete heftig, schien aber den Blick nicht von ihrem Spiegelbild losreißen zu können. »Gefällt es dir wirklich?«
»Aber ja. Ich kann es kaum erwarten, dich in deinem neuen Kleid zu sehen.«
»Es freut mich, dass es Ihnen allen gefällt.« Mr Pierce lächelte Emeline zu. »Zufällig habe ich noch ein Stündchen Zeit. Möchten Sie sich frisieren lassen, Miss Emeline? Ich glaube, ich könnte Ihre jetzige Frisur sehr verbessern, obwohl Ihr Stil nicht unattraktiv ist, ganz im Gegenteil. Doch er richtet sich zu stark nach der gegenwärtigen Mode, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie würden etwas Originelleres vertragen.«
»Ach, ich möchte Ihre Zeit und Lady Worthams Gastfreundschaft nicht über Gebühr in Anspruch nehmen«, lehnte Emeline hastig ab, und das nicht ohne eine Spur von Bedauern. Pierce mochte ein Mörder sein, doch war er unbestritten ein Künstler, was Frisuren betraf. Es hätte ihr großen Spaß gemacht herauszufinden, wie er sie verwandelt hätte.
»Natürlich musst du dir das Haar von ihm machen lassen, Emeline.« Priscilla erhob sich vom Frisiertisch. »Mama hat sicher nichts dagegen.«
»Aber überhaupt nicht«, erklärte Lady Wortham großmütig.
»Es ist ja so aufregend, Mr Pierce bei der Arbeit zuzusehen. Sein großes Talent ist geradezu spürbar.«
Widerstrebend setzte Emeline sich vor den Spiegel. »Danke.«
Pierce schüttelte das weiße Tuch aus und legte es ihr um die Schultern. Dann griff er zu seinem Kamm und begegnete ihrem Blick im Spiegel.
»Nun, ich weiß genau, was zu tun
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