Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
den Hals gebrochen.«
»Ja, danach sieht es aus«, sagte Tobias.
Beaumont förderte ruckartig ein Taschentuch zu Tage und wischte sich damit über die Stirn. Sein Blick überflog die Schar der Neugierigen. »Schrecklicher Unfall. Einfach grässlich. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir die Sache im Griff haben. Der Arzt ist schon unterwegs. Sie können sich in Ihre Räumlichkeiten zurückziehen.«
Aspasias feine Brauen zogen sich zusammen. Ihre Lippen teilten sich zu einer Frage. Lavinia bemerkte, wie Tobias sie mit einem leichten Kopfschütteln zum Schweigen brachte.
Aspasia machte gehorsam den Mund zu.
»Sie müssen uns entschuldigen«, sagte Tobias. »Wir haben es eilig. Lord Beaumont bringt uns in Fullertons Schlafgemach.«
Aspasia schien zu erschrecken, und dann sah Lavinia, wie in ihren dunklen Augen Begreifen aufglomm.
»Tobias?«, flüsterte Aspasia heiser. »Glauben Sie ...«
»Wir sprechen uns später«, erwiderte er leise.
»Ja, natürlich.« Aspasia wich anmutig aus. Ihr Blick ruhte nachdenklich auf Lavinia.
Der Augenblick des Einverständnisses zwischen Aspasia und Tobias war nur kurz, konstatierte Lavinia, als sie mit den zwei Männern weiterging, doch war die Vertrautheit offensichtlich. Aspasia hatte eindeutig das Gefühl, Anspruch auf Tobias zu haben, während er ihr irgendwie verpflichtet zu sein schien.
Und Tobias nahm seine Verpflichtungen sehr ernst, wie sie in den letzten Monaten erlebt hatte.
Sie drehte sich just in dem Moment um, als Aspasia durch eine Tür verschwand. Durch eine sehr bekannte Schlafzimmertür.
Nun, wenigstens ein Geheimnis war heute gelüftet worden, dachte sie. Jetzt wusste sie, warum man sie kurzerhand in das spartanische Kämmerchen am Ende des Ganges eine Etage höher umquartiert hatte. Haushälterin und Butler hatten keinerlei Hemmung gehabt, ihr behagliches Zimmer auf dieser Etage Aspasia Gray zuzuschanzen.
Beaumont blieb vor einer Tür stehen.
»Das war Fullertons Schlafzimmer«, kündigte er an.
Tobias trat als Erster ein. Er zündete eine Kerze an und blickte um sich. Dann ging er ans Fenster und zog die Gardinen beiseite.
Mondlicht flutete herein und unterstützte die schwache Kerzenbeleuchtung.
Kaum eingetreten, ließ Lavinia aufmerksam ihre Augen wandern. Der Raum war so groß wie diejenige , den man Tobias gegeben hatte. Die Überdecke des breiten Himmelbettes war für die Nacht zurückgeschlagen. Kissen und Decken verrieten, dass das Bett unberührt war. Der Griff einer Wärmepfanne ragte unter der Steppdecke hervor.
»Er fragte sie, warum sie nicht sein Bett benutzen konnten«, sagte sie leise zu Tobias. »Es sei so hübsch vorgewärmt, sagte er.«
Tobias, der die Schubfächer des Toilettentisches rasch und methodisch auf-und zumachte, fragte, ohne von seiner Tätigkeit aufzublicken: »Was sagte er sonst noch?«
»Er fragte das Mädchen, warum sie den langen Weg hinauf aufs Dach erklimmen müssten.«
Beaumont, der im Eingang stand, machte ein finsteres Gesicht. »Was heißt das ... mit dem Mädchen?«
»Als ich Lord Fullerton sah«, sagte Lavinia, »befand er sich in Gesellschaft eines hoch gewachsenen, blonden Hausmädchens. Ich hatte den deutlichen Eindruck, die beiden wollten sich zu einer Tändelei aufs Dach begeben.«
»Unsinn.« Beaumonts Schnurrbart sträubte sich vor ehrlicher Entrüstung. »Alle im Haus wissen, dass unschickliche Intimitäten zwischen Personal und Gästen streng verboten sind. Lady Beaumont duldet diese Dinge nicht.«
Lavinia blieb vor dem Nachttischchen stehen und betrachtete die Ansammlung kleiner Gegenstände, die auf der blank polierten Fläche angeordnet waren. »Das Mädchen legte es aber sehr darauf an, Fullerton ihre Gunst zu schenken. Sie war es, die vorschlug, lieber aufs Dach zu gehen, als sein Zimmer zu benutzen.«
»Sie können beruhigt sein, dass mein Butler der Sache nachgehen wird.« Beaumont unterbrach sich mit ratloser Miene. »Eine große, blonde Person, sagen Sie? Ich wüsste nicht, wer von meinem Personal dieser Beschreibung entspricht. Wahrscheinlich handelt es sich um eines der Mädchen aus dem Dorf, die für diese Woche eingestellt wurden. Bei so vielen Gästen braucht man zusätzliche Leute.«
»Ich verstehe.« Unter den Sachen auf dem Nachttisch lag nichts Ungewöhnliches. Ein Kerzenhalter, eine Brille, ein Ring.
Sie ging zum Schrank und öffnete ihn. Tobias stellte sich mit einer Kerze in der Hand hinter sie. Gemeinsam begutachteten sie die aus erstklassig geschnittenen Sachen
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