Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
Abschied den Kopf vor Miss Gilway und Miss Richards. »Gute Nacht. Hoffentlich haben Sie eine gute Heimfahrt.«
Ein kleiner Chor von Abschiedsgrüßen erhob sich. Pierce zog sich in sein Schlafgemach zurück, Miss Gilway und Miss Richards verschwanden in dem Raum, den sie teilten.
Tobias und Lavinia gingen den Korridor entlang weiter.
»Warum machst du ein so finsteres Gesicht?« Lavinia öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und drehte sich zu ihm um. »Es erinnert an ein heraufziehendes Gewitter.«
Tobias warf einen Blick zurück in den nun leeren Gang und dachte an das eben geführte Gespräch. »Deine Frage an Pierce, eine blonde Perücke betreffend, war sehr klug. Sie eröffnet einige interessante Möglichkeiten.«
»Danke.« Sie verbarg ihre Freude über das kleine Kompliment nicht. »Wenn blonde Perücken so unmodisch sind, hat der Mörder selbstverständlich keine gekauft, die möglichen Zeugen so deutlich in Erinnerung bleiben würde. Daher kann man mit Sicherheit annehmen, dass der Mörder eine Frau mit auffallend blondem Haar ist.«
»Ich glaube eher, wir können vom genauen Gegenteil ausgehen.«
»Wie bitte?«
»Überleg doch, Lavinia. Die blonden Haare des Mörders scheinen sein auffallendstes Merkmal gewesen zu sein. Sie und die übergroße Haube sind die zwei Dinge, die den stärksten Eindruck auf dich machten, als du das Mädchen auf dem Gang sahst, oder?«
»Ja, aber ...« Sie verstummte jäh, und ihre Augen wurden groß, als sie begriff. »Ich verstehe. Du glaubst, der Mörder legte es darauf an, dass diese zwei Punkte vor allem auffallen, falls er gesehen wurde?«
Er nickte. »Das Markenzeichen des Mementomori-Mannes war sein Talent zur Irreführung. Wenn dieser neue Mörder sich ihn zum Vorbild nimmt, wird er dieselbe Strategie anwenden. Daher können wir annehmen, dass das blonde Haar falsch war. Ebenso sicher bin ich, dass sich unter den Frauenkleidern ein Mann verbarg.«
Sie zögerte. »Ich habe nicht das Gefühl, dass der Mörder ein Mann ist. Aber ich gebe dir Recht, dass das blonde Haar sehr wahrscheinlich eine Perücke war.«
»Das ist zumindest ein Anfang.« Er stützte eine Hand an den Türrahmen und überlegte. »Wenn blonde Perücken so unmodisch sind, werden sie kaum zu haben sein. Sehr viele Perückenmacher gibt es in London bestimmt nicht. Man könnte also feststellen, wer in den letzten Monaten eine blonde Perücke verkaufte.«
»Da wäre ich nicht so sicher. Es stimmt zwar, dass ein Perückenmacher, der eine Perücke in so unmodischer Farbe verkaufte, sich an seine Kundin erinnern würde. Doch fürchte ich, dass wir den Laden nicht finden werden. Die Perücke könnte ja außerhalb Londons gekauft worden sein. Viele elegante Herrschaften besorgen sich ihre Haarteile in Paris. Es ist auch möglich, dass das falsche Haar aus einem Theater oder aus dem Koffer eines Schauspielers gestohlen wurde. Die Suche nach einem Perückenmacher, der dem Mörder das falsche Haar verschaffte, könnte Zeitvergeudung sein.«
»Dennoch ist die blonde Perücke eine Spur — und zudem eine der wenigen, die wir haben.«
Sie widersprach nicht, doch runzelte sie die Stirn. »Tobias, ist es allein die Tatsache, dass der Mörder vielleicht falsches Haar hatte, die dich glauben lässt, wir hätten es mit einem Mann zu tun? Ich glaube nämlich, wir sollten uns nicht zu sehr darauf konzentrieren. Wir könnten wertvolle Beweise übersehen, wenn wir die Möglichkeit außer Acht lassen, dass es eine Frau war, die ich heute mit Fullerton sah.«
Er umfasste den Türrahmen fester. »Es ist mehr als nur die Perücke.«
»Fällt es dir so schwer, dir eine Frau als professionelle Mörderin vorzustellen?«
»Nicht ganz. Es ist die Sache mit dem Mementomori-Ring, die mich davon überzeugt, dass wir einem Mann hinterherjagen «, sagte er leise. »Die Signatur erinnert zu absichtsvoll an Zachary Eilands Handschrift.«
»Na und? Vielleicht will eine Frau es ihm gleichtun.«
Er schüttelte den Kopf, ratlos, wie er mit Logik untermauern konnte, was er intuitiv als Wahrheit fühlte. »Es erscheint mir wahrscheinlicher, dass ein Mann sich mit einem Mann messen möchte.«
»Ach ja«, sagte sie mit wissendem Blick. »Man weiß ja, dass Männer gern ihre Kräfte messen. Nicht umsonst lieben sie Pferderennen, Boxkämpfe und Wetten, so ist es doch?«
Er zog eine Braue hoch. »Versuch bitte nicht, mir einzureden, Frauen würde es an Wettbewerbsgeist fehlen. Mir ist nicht entgangen, was für Kämpfe subtilerer Art
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