Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
während der Saison in den Ballsälen ausgetragen werden. Es ist kein Geheimnis, dass eine Mutter, die es darauf anlegt, eine Ehe zu stiften, zu strategischen Planungen imstande ist, die selbst Wellington Respekt und Bewunderung abnötigen würden.«
Zu seiner Verwunderung lächelte sie nicht und nahm seine Beobachtung mit einem ernsten Neigen des Kopfes zur Kenntnis.
»Das Ehegeschäft erfordert eben größte Bedachtsamkeit und nüchterne Planung. Schließlich steht nicht nur die ganze Zukunft einer Frau auf dem Spiel, sondern auch die ihrer künftigen Kinder.«
»Hm ... So dramatisch sah ich es bis jetzt nicht.«
»Meiner Erfahrung nach sehen Männer die Ehe nur selten so dramatisch.«
Er runzelte die Stirn, da ihr Ton in ihm den Eindruck erweckte, ihm wäre womöglich etwas entgangen. Doch ehe er eine Erklärung fordern konnte, hielt Lavinia die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu ersticken.
»Ich glaube, heute bin ich nicht mehr imstande, so ernst über den Fall nachzudenken, wie es nötig wäre. Ich schlage vor, wir verschieben die Debatte auf morgen. Auf der langen Rückfahrt werden wir viel Zeit zum Reden haben.«
»Erinnere mich nicht daran.« Er schaute nachdenklich den langen Korridor entlang.
»Gute Nacht, Tobias.«
»Nur eine Frage, ehe ich gehe.«
»Ja?«
»Ist es Mode unter Friseuren, das Hemd vor ehrbaren Damen halb offen zu tragen?«
Lavinia lachte leise. »Friseure sind Künstler, Tobias. Sie dürfen sich nach ihrer eigenen Mode richten.«
»Hm.«
Sie trat zurück und wollte die Tür schließen. Ihre Augen blitzten belustigt in der Dunkelheit auf. »Mach dir keine Sorgen um die Empfindsamkeit der Damen Richards und Gilway. Obwohl Mr Pierce in halb bekleidetem Zustand für sie ohne Zweifel der anregendste Anblick seit Jahren war, muss ich hervorheben, dass du selbst ihnen ebenfalls etliche Gründe zu Bewunderung geliefert hast.«
Er merkte, dass sie betont auf seine Brust blickte.
»Was zum Teufel ... ?«
Er blickte an sich hinunter und erschrak, als er sah, dass an seinem Hemd ein paar Knöpfe offen standen. Zweifellos war es im Verlauf der wenigen Minuten geöffnet worden, die er und Lavinia gemeinsam verbracht hatten, ehe Fullerton so dramatisch ihr Stelldichein gestört hatte. Nun waren ihm die neugierigen, verschleierten Blicke nur zu verständlich, mit denen die zwei Gesellschafterinnen ihn fixiert hatten.
»Verflixt und zugenäht«, murmelte er.
»Du und Mr Pierce habt den zwei Damen sicher ausreichend Gesprächsstoff und Spekulationen auf Monate hinaus geliefert.«
Lavinia gluckste amüsiert und machte die Tür ganz sanft vor seiner Nase zu.
Er ließ den Türrahmen los und ging zurück zur Treppe. Die Landhaus-Party hätte gar nicht katastrophaler enden können, dachte er. Dabei war ihm ein Wochenende auf dem Land als brillante Idee erschienen. Aber alles, was schief gehen konnte, war schiefgegangen. Sogar sein linkes Bein, das sich dank des warmen sonnigen Wetters recht gut benommen hatte, schmerzte jetzt. Er war heute Abend wohl zu viel treppauf und -ab gelaufen.
Es war ihm nicht einmal geglückt, was er mit so viel Optimismus und Begeisterung geplant hatte: eine Nacht mit Lavinia, ohne Unterbrechung und in einem bequemen Bett.
Ja, er konnte sich nicht mal in sein eigenes Bett zurückziehen, da es vorher noch etwas zu erledigen galt.
Er ging hinunter und stellte fest, dass in seinem Stockwerk alles wieder still war. Die Gäste waren in ihren Räumen, das Haus hatte sich für den Rest der Nacht beruhigt.
Zwei Wandleuchten erhellten den Weg zu Aspasias Tür. Vor ihrem Zimmer hielt er inne und zögerte ein paar Sekunden. Dann klopfte er leise an.
Sofort öffnete sie, als hätte sie ihn erwartet. Ihr grüner Satinmorgenrock schwang locker um ihre Fesseln. Schlecht verhohlene Angst umschattete ihre Augen. Anspannung ließ ihren vollen Mund hart erscheinen.
»Nun?«, flüsterte sie.
Als er sie ansah, wurde ihm klar, dass sie vermutlich die schönste Frau war, der er je begegnet war, und plötzlich fühlte er sich sehr müde. Er wusste, dass es eine Müdigkeit war, die zu tief lag, um nach ein paar Stunden Schlaf zu weichen. Sie würde ihn verfolgen, bis diese Begegnung mit der Vergangenheit abgeschlossen war.
Geistesabwesend rieb er sich den Nacken. »Ihre Vermutung ist korrekt. Jemand ist als Mementomori-Mann wieder auferstanden. Wer immer es ist - er war heute hier.«
Sie umklammerte ihren Satinmorgenrock am Halsrand. »Fullerton?«
»Ja. Ich fand in seinem Zimmer
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