Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
das ist Mr Pierce.« Lavinia vollführte eine anmutigdramatische Handbewegung, als gelte es, den Bühnenauftritt eines berühmten Schauspielers anzukündigen. »Ihm war heute Lady Oakes' bezaubernde Frisur zu verdanken. Sicher ist sie Ih n en in Erinnerung geblieben, Sir?«
»Das könnte ich nicht behaupten«, gestand Tobias.
»Reihe um Reihe kunstvollster Löckchen vorne aufgetürmt?« Sie formte mit den Händen über der Stirn eine kleine Pyramide. »Und der geflochtene und geschlungene Chignon sowie weitere Löckchen am Hinterkopf? Lady Oakes sah äußerst eindrucksvoll aus.«
»Ja, gewiss.« Er nickte Pierce zu, wiewohl er an Lady Oakes' Frisur nicht die geringste Erinnerung hatte. »Einfach hinreißend.«
»Danke, Sir.« Pierce vollführte, ganz der bescheidene Künstler, eine tiefe Verbeugung. »Alles kam sehr gut zur Geltung. Die Löckchen über dem Chignon und die Schlinge um die Haarrolle sind meine Erfindung, meine Handschrift sozusagen.«
»Hmmm.«
Lavinia lächelte. »Ich verspätete mich ein wenig, da Mr March und ich ein paar Fragen bezüglich Lord Fullertons Tod hatten.«
»Ich verstehe.« Pierce sah Tobias mit einem kurzen, nachdenklichen Blick an. »Ja, Sie erwähnten, dass Sie und Ihr Partner gelegentlich einem ziemlich sonderbaren Hobby frönen. Ich glaube, Sie befassen sich mit privaten Ermittlungen. Aber Sie hätten sich einer so schockierenden Szene nicht aussetzen sollen, Madam. Eine empfindsame Dame wie Sie kann davon Alpträume bekommen.«
Die Besorgnis des Friseurs um Lavinia war irritierend. Ihm fiel ein, dass Pierce zu jenen Männern gehörte, die junge Damen wie Emeline und ihre Freundin Priscilla so schrecklich romantisch aussehend fanden.
Er musste insgeheim zugeben, dass er auf diesem Gebiet kein Experte war, doch war er ziemlich sicher, dass die scheinbar natürliche Tolle, die Pierce in die Stirn fiel, nicht der Natur zu verdanken war. Etliche von Anthonys Freunden pflegten momentan einen ähnlichen Stil. Anthony hatte erklärt, dass er selbst auf diese Frisur vor allem deshalb verzichte, weil sie die Benutzung gefährlich heißer Brennscheren und viel Zeit vor dem Spiegel erfordere.
Pierce schien beim Zubettgehen unterbrochen worden zu sein, da er in einem weißen Rüschenhemd und modisch gebügelten Hosen dastand. Ein flottes schwarzes Band war lässig um seinen Hals geschlungen, eine Mode, die auf Byron und die romantischen Dichter zurückging. Es verhüllte nur unzulänglich das Stück nackte Haut, das sein offenes Hemd sehen ließ.
»Welche Nachforschungen haben Sie und Mr March denn betrieben?«, fragte Miss Gilway, ohne den Blick von Tobias zu wenden.
»Wir wollten uns vergewissern, dass es sich um kein Verbrechen handelt«, sagte Lavinia.
»Ein Verbrechen!« Miss Richards teilte einen Blick schaurigen Entzückens mit ihrer Freundin. »Sagen Sie bloß nicht, dass es Mord war?«
»Um Himmels willen.« Die andere fächelte sich mit der Hand Kühlung zu. »Wie grässlich. Wer hätte so etwas gedacht?«
»Mord.« Pierce starrte Lavinia an. »Ist das Ihr Ernst, Mrs Lake?«
Tobias wurde daran erinnert, dass Anthony ähnlich gebannt aussehen konnte — das machte die Faszination, die alles Makabre auf die Jugend ausübte.
»Laut Lord Beaumont und dem Dorfarzt kann es sich unmöglich um einen Mordfall handeln«, sagte Lavinia neutral.
»Ach.« Piere' Erregung verpuffte.
Die zwei Gesellschafterinnen schienen gleichermaßen enttäuscht.
»Gott sei Dank«, sagte Miss Gilway höflich.
»Was für eine Erleichterung«, setzte Miss Richards pflichtschuldig hinzu. »Die Vorstellung, auf Beaumont Castle liefe ein Mörder frei herum, wäre äußerst unangenehm.«
Beide richteten ihre Augen wieder auf Tobias.
»Allerdings«, sagte Lavinia. »Es liegt kein Grund zur Besorgnis vor. Sie werden heute in Ihren Betten gewiss ganz sicher sein. Meinen Sie nicht, Tobias?«
»Ja.« Er nahm ihren Arm. »Erlauben Sie, dass ich Sie zur Tür bringe. Es ist spät und wir müssen sehr zeitig am Morgen fort.«
»Sie kehren schon morgen nach London zurück?«, fragte Miss Gilway rasch.
»Aus persönlichen Gründen«, sagte Lavinia kühl. Sie lächelte dem Trio zu. »Ich verabschiede mich jetzt schon, da Sie zweifellos noch schlafen werden, wenn ich abreise.«
»Ich wünsche eine angenehme Fahrt, Madam.« Pierce vollführte erneut eine anmutige kleine Verbeugung. »Und denken Sie an das, was ich heute sagte, als Sie hinunter zum Ball gingen. Ich wäre entzückt, Sie als Kundin zu
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