Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
glaube nicht ...«
»Glaube mir, Lavinia, Sweet Ned hat alles, was einen Berufsverbrecher ausmacht.«
»Mag schon sein. Wenn man jedoch bedenkt, dass er in den Slums ohne Zukunftsaussichten aufwuchs, kann man nur Mitleid empfinden.«
»Ich kann dir versichern, dass ich garantiert kein Mitleid hatte, als ich ihn heute vor dem Friedhof mit dir antraf.«
Sie lächelte. »Sag bloß nicht, dass bei dir nicht Gefühle im Spiel waren. Du hättest ihn in die Bow Street schaffen können, wo man ihn in Eisen gelegt hätte, um ihn später zu hängen. Stattdessen hast du ihn Smiling Jack übergeben.«
»Viel wird es wohl nicht nützen.« Tobias richtete den Blick in sein Glas. »Der Junge dürfte am Galgen enden.«
»Wenn es dazu kommen sollte, wird es aber nicht deinetwegen sein«, sagte sie leise.
Wortlos nahm er einen Schluck, doch wirkte seine Miene nicht mehr so grimmig.
Eine ganze Weile saßen sie schweigend beisammen, ehe Tobias die Frage stellte: »Was wollte Aspasia heute mit dir besprechen?«
Lavinia schwenkte den Sherry in ihrem Glas und trank einen kleinen Schluck. »Sie wollte mich beruhigen, dass sie keine Absichten hätte, was dich betrifft.«
»Das hätte ich dir auch sagen können.« Er machte ein finsteres Gesicht. »Und wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, habe ich es dir gesagt. Unmissverständlich.«
»Eigentlich nicht. Du sagtest, dass du kein romantisches Interesse an ihr hättest.«
Er zuckte die Schultern. »Das läuft doch auf dasselbe hinaus.«
»Nicht ganz«, verbesserte sie kühl. »Aber wie dem auch sei, ich gewann den Eindruck, dass sie von Vater und Ehemann misshandelt wurde. Sie hatte sich geschworen, nie wieder ihr Herz zu verschenken oder zu heiraten. Und dann begegnete sie Zachary Eiland. Du hattest Recht - sie glaubte tatsächlich, dass sie seelenverwandt wären, und war wie betäubt, als sie die Wahrheit über ihn entdeckte.«
»Es freut mich, dass ihr beide zu einer Verständigung gelangt seid. Ich wünschte nur, sie hätte sich für dieses Gespräch mit dir nicht auf diesem Friedhof getroffen.«
»Das war nicht ihre Schuld. Sweet Ned folgte mir, seit ich heute aus dem Haus ging. Er wartete nur auf eine Gelegenheit, bis er mich allein antraf. Wäre es nicht auf dem Weg vor dem Friedhof gewesen, dann anderswo. Zweifellos in einer stillen Gasse oder in einem Park.«
»Erinnere mich nicht daran.« Er genehmigte sich erneut einen Schluck und stellte dann das Glas auf die Armlehne des Sessels. »Wir müssen darüber sprechen, warum der Mörder jemanden wie Sweet Ned engagierte, um dich von dem Fall abzuschrecken.«
»Hast du eine Theorie?«
»Ich halte es für wahrscheinlich, dass dieser neue Mementomori-Mann dich als Komplikation ansieht. Sein Ziel ist es, mich herauszufordern und Aspasia zu erschrecken, aber mit dir kann er nichts anfangen.«
»Deshalb möchte er mich einfach aus dem Weg haben?«
»Wahrscheinlich glaubt er, dass ich dir nicht gestatten werde, mir weiter bei dem Fall zu helfen, wenn ich der Meinung bin, dein Leben sei in Gefahr.« Tobias begegnete ihrem Blick. »Vielleicht hat er Recht.«
»Daran darfst du nicht einmal denken«, warnte sie ihn. »Du kannst mich nicht daran hindern, mit meinen Ermittlungen fortzufahren. Ich stecke schon zu tief drinnen.« Sie stoppte sich, als an die Tür geklopft wurde. »Ja, Mrs Chilton?«
Die Tür wurde geöffnet. »Mrs Dove und Lord Vale bitten empfangen zu werden, Madam«, sagte Mrs Chilton in dem dröhnenden Ton, den sie sich für die Ankündigung angesehener Gäste vorbehielt.
»Allmächtiger! Beide?« Lavinia sprang auf. Joan zu empfangen, war für sie fast schon zur Gewohnheit geworden, doch die
Tatsache, dass Vale sie begleitete, war etwas ganz anderes. »Führen Sie sie in den Salon, Mrs Chilton. Und bitte, bringen Sie uns Tee. Nehmen Sie den neuen Oolong. Sagen Sie den Herrschaften, dass Mr March und ich sofort kommen.«
»Sehr wohl, Madam.« Mrs Chilton ging hinaus und schloss hinter sich die Tür.
»Ich kann nicht glauben, dass Lord Vale mein Haus beehrt.« Lavinia strich die Falten in ihrem Kleid glatt und ging an den Spiegel, um ihre Frisur zu überprüfen. »Glaubst du,Tee reicht als Erfrischung? Vielleicht sollte ich Sherry anbieten?«
Tobias erhob sich lässig. »Mein Gefühl sagt mir, dass Vale meinen neuen französischen Cognac vorzieht.«
Sie wandte dem Spiegel den Rücken. »Eine ausgezeichnete Idee. Wir werden Gläser brauchen. Geh schon voraus in den Salon, während ich mit Mrs Chilton
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