Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
Sommerkonzerte in Vauxhall schätzen, zumal an den Abenden, wenn es wie morgen ein Feuerwerk gibt. Was halten Sie davon, wenn Sie und ich gemeinsam hingehen und ich dann eine zwanglose Begegnung herbeiführe? Reicht das?«
»Perfekt.« Lavinia wurde von freudiger Erwartung erfasst.
»Das ist eine großartige Nachricht. Ich habe das Gefühl, dass wir der Lösung des Falles ganz nahe sind.«
Tobias schaute aus dem Fenster. »Warum habe ich dann das Gefühl, dass wir einen überaus wichtigen Hinweis übersehen?«
»Zweifellos weil es in deiner Natur liegt, jedes Vorkommnis äußerst pessimistisch zu bewerten«, beschied ihn Lavinia pikiert. »Du solltest dir eine positive und optimistischere Einstellung zulegen. Es würde für deine Laune Wunder wirken.«
Tobias war nicht wenig verwundert, dass ein Mann von Vales bekannt verschlossener und zurückhaltender Natur ihn zu Fuß in den Klub begleitete, nachdem sie das Haus Nummer 7 verlassen hatten. Andererseits verbrachte Val ja die meiste Zeit auf dem Land bei seinen römischen Ausgrabungen und war körperlicher Ertüchtigung offensichtlich nicht abgeneigt.
Die lang anhaltende Helligkeit des späten Sommertages tauchte Straßen und Parks in das für diese Jahreszeit typische klare und doch milde Licht. Alles bot sich einem in einer Tiefe und Schärfe dar, die das Auge entzückten. Sämtliche Konturen traten mit einer Deutlichkeit hervor, wie sie der größte Künstler unter den Malern nicht auf die Leinwand hätte bannen können. Und doch dienten Klarheit und Wärme der besonnten Teile nur dazu, die dunklen Schatten in den schmalen Straßen und Gassen zu vertiefen.
»Es sieht aus, als hätte die Intuition Ihrer Partnerin sie doch nicht getrogen«, sagte Vale.
»Ich muss zugeben, dass Lavinia und Joan auf eine Verbindung zwischen den drei Frauen und Motiven stießen, die man nicht unbeachtet lassen kann.« Tobias schüttelte den Kopf. »Obwohl die Vorstellung, drei ältere Damen der Gesellschaft hätten sich eines Mörders bedient, um Ehen zu vereiteln, einem doch recht unglaublich erscheint.«
»Ich gestehe, dass mich ein Schreckensschauer überlief, als Joan mir berichtete, zu welcher Schlussfolgerung sie und Lavinia gelangten.«
Fast hätte Tobias gelächelt. »Wir neigen allzu oft dazu, das schöne Geschlecht zu unterschätzen.«
»Allerdings.« Vale sah zu einer Gruppe kleiner Jungen hin, die im Park Drachen steigen ließen. »Heute wurde mir in dieser Hinsicht eine ziemlich beunruhigende Lektion erteilt. Ich hatte mit Joan ein Gespräch, das sehr erhellend war. Haben Sie sich jemals überlegt, wie wenig eine Ehe einer intelligenten, reifen und finanziell unabhängigen Frau zu bieten hat?« Tobias beobachtete einen der Drachen, der hoch über den Baumwipfeln dahin-schwebte. »Falls Sie mir eröffnen wollen, dass der Ehestand einer solchen Frau nicht viel zu bieten hat, können Sie sich die Mühe sparen. Ich hatte Gelegenheit, in letzter Zeit häufig über dieses Thema nachzudenken.«
»Ich verstehe.«
Tobias sah ihn an. »Darf ich annehmen, dass Ihre Überlegungen in ähnlichen Bahnen verliefen?«
Vale bejahte mit einer unmerklichen Neigung des Kopfes. »Nach dem Tod meiner Frau hatte ich nie wieder eine Ehe in Erwägung gezogen. Bis vor kurzem sah ich auch keine Notwendigkeit dazu. Ich habe zwei Söhne, die selbst schon Kinder haben, so dass Titel und Erbe gesichert sind. Meine Ausgrabungen verschaffen mir Betätigung und große Befriedigung. Und was die besonderen Wonnen und Tröstungen betrifft, die nur eine Frau spenden kann, so wissen wir beide, wie leicht sie zu haben sind.«
Zumal wenn man reich und von Adel ist und sich nach Belieben Gespielinnen leisten kann, dachte Tobias, hütete sich aber, dies laut zu äußern. Außerdem war es nicht ganz fair. Vale hatte im Laufe der Jahre zweifellos etliche diskrete Affären gehabt, gehörte aber nicht zu denen, die sich mit kostspieligen Kurtisanen brüsteten oder die Gesellschaft schillernder Halbweltdamen suchten.
»Mir war meine Einsamkeit gar nicht zu Bewusstsein gekommen, ehe ich mehr Zeit mit Joan verbrachte«, sagte Vale. »Fast ist es, als hätte ich ein Elixier entdeckt, von dem ich nicht wusste, dass ich danach lechze, ehe ich nicht davon kostete.«
»Und nachdem das Verlangen erwachte, verzehrt Sie nun die dunkle Furcht vor der Möglichkeit, dass Sie Ihren Durst nicht voll befriedigen könnten.«
Vale bedachte ihn mit einem spöttisch-amüsierten Seitenblick. »Ich sehe, dass auch Sie den
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