LaVyrle Spencer
Gesicht in den Händen und hätte am liebsten geweint.
Mit einem tiefen Seufzer stand sie auf, unterdrückte ihre trübselige Stimmung
und überzog das Bett. Dann beschloß sie, ihre Kleider in den Schrank zu räumen.
Den Arm voller Pullover blieb sie davor stehen und rief :»Clay?«
Aber er
hörte sie nicht.
Leise ging sie über den mit Teppich
ausgelegten Flur, die paar Stufen zum Wohnzimmer hinunter, und sah ihn mit gespreizten
Beinen, die Hände in den Taschen vergraben, vor der Schiebetür stehen und
hinausstarren.
»Clay?« Er
zuckte zusammen und drehte sich um. »Was ist?«
»Bist du einverstanden, wenn ich den
Schrank nehme und du deine Sachen in der Kommode unterbringst?«
»Natürlich«, sagte er tonlos, »mach,
was du willst.« Dann schaute er wieder zum Fenster hinaus.
Die Schubladen rochen würzig nach
Holz. Alles in diesem Haus war neu und unberührt, so anders als die Umgebung,
an die Catherine gewöhnt war. Wieder wurde sie von einem Gefühl der
Unwirklichkeit überwältigt. Irgendwie kam ihr völlig sinnlos vor, was sie tat.
Catherine ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen und hatte plötzlich das
starke Empfinden, sich widerrechtlich etwas angeeignet zu haben, das einer
anderen Frau gehörte. Wieder sah sie Jill vor sich. Clay kam ins Schlafzimmer
und begann, seine Sachen in die Kommode zu räumen. Schweigend gingen beide
ihren Beschäftigungen nach. Als sie das Licht im Wandschrank anknipste, sah
sie, daß Clays Anzüge schon darin hingen. Er hatte sie wohl in der vergangenen
Woche hierhergebracht. Sein Geruch hing im Wandschrank. Sie knipste das Licht
wieder aus und sagte zu ihm: »Ich nehme den Schrank im anderen Schlafzimmer,
wenn du damit einverstanden bist.«
»Ich kann meine Sachen zusammenschieben.«
»Nein, nein, das ist nicht nötig.
Der andere Schrank ist sowieso leer.«
Als sie im Zimmer auf der anderen
Seite des Flurs verschwand, starrte er eine Weile nachdenklich in die
Schublade der Kommode, die er gerade füllen wollte.
Später begegneten sie sich wieder im
Wohnzimmer. Clay ordnete seine Tonbänder.
»Hör mal«, sagte Catherine. »Hast du
Hunger? Wir haben seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.« Jetzt war es kurz
vor zehn Uhr abends.
»Ja, ein wenig«, antwortete Clay
ohne aufzublicken.
»Aber ... aber wir haben nichts im
Haus«, stammelte sie. »Wir könnten ...«
»Dann
vergiß es. Ich bin wirklich nicht sehr hungrig.«
»Nein. Wir könnten doch
ausgehen und einen Hamburger essen.«
Er warf einen Blick auf ihren Bauch.
»Oh, du hast wahrscheinlich Hunger.«
»Mir geht's
gut.«
Er seufzte und ließ ein Tonband in
den Karton zurückfallen. Die Hände auf die Knie gestützt, starrte er
kopfschüttelnd darauf und sagte: »Werden wir nicht einmal zusammen essen?«
»Du hast gesagt, du wärst hungrig,
und hast meinen Vorschlag abgelehnt.«
Er blickte
zu ihr auf. »Willst du einen Hamburger?«
Mit einem zaghaften Lächeln strich
sie über ihren Bauch. »Ja, ich bin am Verhungern.«
»Dann laß uns doch aufhören, Katz
und Maus miteinander zu spielen. Wir gehen aus und essen etwas.«
»Einverstanden.«
»Das restliche Zeug können wir
morgen abend wegräumen.«
»Gern. Und morgen kaufe ich Lebensmittel ein.«
Und alles
schien in Ordnung zu sein.
Die Illusion währte, bis es Zeit war, ins Bett zu
gehen. Dann fingen sie wieder an, sich wie auf Eierschalen zu bewegen. Nachdem
sie von ihrem späten Abendessen zurückgekehrt waren, zog sie schnell ihren
Mantel aus und hängte ihn auf. Sie wollte jede Berührung mit ihm vermeiden. Er
folgte ihr ins Wohnzimmer.
»Fühlst du
dich jetzt besser?« fragte er.
»Ja. Ich wußte gar nicht, wie
hungrig ich war. Wir haben heute eine Menge Arbeit erledigt.«
Dann wußten sie nicht, worüber sie
sprechen sollten. Clay streckte sich und gähnte demonstrativ.
Panik überfiel sie, und ihr Magen
krampfte sich zusammen. Sollte sie einfach ins Schlafzimmer gehen oder ihm
dabei helfen, sein Bett herzurichten?
Beide
begannen gleichzeitig zu sprechen.
»Nun, wir
müssen früh auf ...«
»Soll ich
dein ...«
Sie wedelte
nervös mit den Händen und bedeutete ihm, weiterzusprechen, während er dasselbe
von ihr erwartete. »Ich hole dein Bettzeug«, brachte sie schließlich heraus.
»Zeig mir nur, wo es ist, dann hole ich es selbst.« Sie wich seinem Blick aus
und ging ihm voran, die Treppe hinauf, zum Wäscheschrank. Als sie sich zum
obersten Fach hochreckte, sagte er schnell: »Warte, ich hol's runter.«
Er trat so
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