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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Vorsichtsmaßnahme. Sie faßte an ihre linke Achselhöhle, um sicher zu sein, daß das dort verborgene Messer richtig in der Scheide steckte und sich leicht herausziehen ließ. Anders als Elsa Lang, der Harry Wargrave auf dem Washingtoner Schießstand des FBI beigebracht hatte, mit Pistolen und Automatikwaffen umzugehen, war Anna ein Kind des Balkans. Dort benutzten die Frauen Messer.
    Und wiederum anders als Elsa, die Tochter eines britischen Admirals, die an der Godolphin Public-School in Salisbury erzogen worden war, war Anna in den ärmlichen Gassen Athens aufgewachsen. Sie war nur sieben Jahre alt gewesen, als beide Eltern zur Zeit des griechischen Bürgerkriegs von den Kommunisten umgebracht wurden – zur Zeit jenes Kriegs, den die griechischen Antikommunisten zu einem Teil dank der Militärhilfe Präsident Trumans gewonnen hatten. Und auf dem Balkan sind Leidenschaften stärker und halten länger an als im Westen. Seitdem sie achtzehn geworden war, hatte Anna ihr Leben dem Kampf gegen den kommunistischen Untergrundapparat geweiht. In Athen war sie zum erstenmal Harry Wargrave begegnet und hatte sich dann mit ihm verbündet.
    Sie ging durch den Hinterausgang zur Garage und zog die Decke weg, die sie über die Kühlerhaube ihres gemieteten Renaults gebreitet hatte, um das Einfrieren des Motors zu verhindern. Nach kaum zwei Minuten fuhr sie aus dem Torbogen auf die Hauptstraße. Sie brauchte nur eine kurze Strecke bis zudem am östlichen Stadtrand von Andermatt gelegenen Bahnhof zurückzulegen, aber sie fuhr vorsichtig. Dies war nicht der richtige Moment, um gegen eine Hauswand zu schlittern. Außer ihrem waren noch ein oder zwei andere Wagen auf der Straße, und rund hundert Meter hinter ihr folgte ihr ein kleiner grauer Fiat in diskretem Abstand. Am Lenkrad saß der fette, kahlköpfige Erich Volcker, der Mann, der zuvor erfolglos versucht hatte, sie in der Seitenstraße zu überfahren.
    Anna wollte zur Schollenen-Bahn, die auf der Hauptstrecke Mailand-Zürich von Andermatt nach Göschenen hinunterfährt. Dies ist eine der merkwürdigsten und düstersten Bahnstrecken ganz Europas. Mit einer Steigung von eins zu fünfeinhalb rattert und rumpelt die Zahnradbahn dahin. Unter den Waggons sind große Zahnräder angebracht, die in die Leitschiene zwischen den Gleisen eingreifen. Auf rund viereinhalb Kilometern Strecke überwindet die Bahn ein Gefälle von mehr als dreihundert Metern. Die Fahrt dauert fünfzehn Minuten. In dieser Zeit fährt sie kreischend durch eine Reihe von Tunnel und Lawinendächern, und an einer Stelle überquert sie die Reuß, die an dieser Stelle wild und reißend durch die schreckliche Schlucht zu Tal stürzt und sich in einen großen Wasserfall ergießt. Wenn man am Tage fährt, ist es ein merkwürdiges Erlebnis; bei Nacht wird die Fahrt eine erschreckende Erfahrung, die dem Reisenden unter die Haut geht, denn das mahlende Geräusch der sich nur langsam drehenden Zahnräder hallt in den dunklen Tunnels wider.
    Gelegentlich geben Öffnungen im Felsen und kurze freie Strecken den Blick auf ein großartiges Panorama frei – den Abstieg in die Schlucht, das rasende Schäumen des Flusses. Zur Zeit war die Reuß zugefroren. Als Anna vor dem Bahnhof anhielt, war sie nicht überrascht zu sehen, daß sie offenbar die einzige Reisende war. In einer Woche würde der Zug mit heimkehrenden Urlaubern überfüllt sein. Sie ließ den Renault draußen stehen – die Leute von der Auto Vermietung konnte sie auch später noch informieren – und betrat die Schalterhalle, um ihre Fahrkarte zu kaufen.
    »Sie werden etwa drei Minuten Zeit haben, um in Göschenen den Anschlußzug zu bekommen«, informierte sie der Schalterbeamte. »Wenn Sie da sind, gehen Sie schnell hinüber zum Hauptgebäude…«
    »Vielen Dank«, erwiderte Anna auf deutsch. »Ich kenne den Weg – ich bin erst vor vierzehn Tagen hergekommen…«
    Sie suchte sich ein Abteil in der Mitte des kurzen Zuges aus, legte die Reisetasche auf den Sitz neben sich, um sie beim Aussteigen griffbereit zu haben, und seufzte erleichtert auf. Sie war heil und in einem Stück aus Andermatt herausgekommen. Und sie hatte ihre Aufgabe erfüllt: Sie wußte, wer die geheime kommunistische Zelle mit Hauptsitz in Andermatt kontrollierte und lenkte.
    Dann ging die Abteiltür auf, und ein Mann stieg zu, als der Zug sich gerade in Bewegung setzte. Er setzte sich schräg gegenüber von Anna hin; es war Erich Volcker. Er zog eine Zigarre hervor und hielt kurz

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