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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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weiterrannte, tauchte wie aus dem Nichts ein großer Felsbrocken auf und fiel auf das Kind. Haller fühlte sich physisch krank, als er beobachtete, wie die völlig gebrochene Mutter bei dem Felsklotz ankam und vergeblich versuchte, ihn mit den Händen wegzudrücken – vergeblich. Der Stein mußte eine Vierteltonne gewogen haben. Der Amerikaner warf Marenkow einen Blick zu und fühlte Wut in sich aufsteigen, als er den leidenschaftslosen Ausdruck auf dem Gesicht des Russen sah. Er hätte ihn schlagen mögen. Dann sprach Marenkow mit einem gedehnten Grollen. »Diese Dreckskerle…«
    »Ihre Leute«, fauchte Haller.
    »Seien Sie so freundlich und informieren Sie Oberst Springer«, fuhr Marenkow in dem gleichen grollenden Ton fort, »daß ich ihm aus dem Kopf eine vollständige Liste der in der Schweiz tätigen KGB-Agenten geben werde, sobald es ihm recht ist. Die GRU-Leute kenne ich leider nicht…«
     
     
    Im Gang eines Erster-Klasse-Waggons stand Jorge Santos inmitten einer Menge anderer Menschen, die wie er auf die heranrasende Lawine starrten. Ihm war etwas aufgefallen, und als er mit seiner ‘ erkalteten Pfeife zwischen den Zähnen dastand, versuchte er, eine Berechnung anzustellen. Die beiden östlichen Wände des Wasserhorns waren jetzt durch eine Schlucht getrennt und neigten sich einander zu. Es kamen nun also zwei getrennte Lawinenwellen aufeinander zu. Wenn sie sich rechtzeitig begegneten, würde diese massive Kollision vielleicht den gewaltigen Felsrutsch stoppen können.
    Fünfhundert Fuß über der Lawine in der Alouette war Wargrave das gleiche Phänomen aufgefallen. Er hielt den Hubschrauber auf der Stelle schwebend und ging an eine höchst gefährliche Aufgabe heran. Unter den Ausrüstungsgegenständen, die Springer auf Vorschlag des Engländers in den Hubschrauber hatte bringen lassen, befanden sich auch zweihundert Kilogramm Gelatinedynamit; schon am vorhergehenden Donnerstag hatte Wargrave eine Situation vorhergesehen, in der es vielleicht notwendig sein würde, ein feindliches Gefährt, das sich dem Expreß näherte, zu bombardieren. Wargrave hatte einige der Sprengstoffzylinder jetzt zu einer Bombe zusammengebunden, die er auf dem Schoß hielt und mit einer Zündschnur versehen hatte. Wenn er das Vorwärtsstürmen der Lawine rechter Hand mit der Bombe verlangsamen konnte, würde das der zweiten Lawine möglicherweise Zeit lassen, mit ihr zu kollidieren.
    »Ihr sollt aber wissen«, sagte er warnend zu Elsa und Max Bruder, »daß dies verdammt gefährlich ist. Es ist eine kurze Zündschnur – sie muß kurz sein –, und wenn die Ladung zu früh explodiert…«
    »Im Zug befinden sich mehrere hundert Menschen«, sagte Elsa leise. »Hier oben sind wir nur vier…«
    Ihre Kehle war wie ausgedörrt, und sie fühlte sich krank vor Furcht, als Wargrave das Fenster öffnete, die Zündschnur in Brand setzte und die selbstgemachte Bombe fallen ließ. In dem Moment, in dem er sie losgelassen hatte, ging er mit Vollgas in den Steigflug. Die Bombe detonierte in der Sekunde, in der sie den Erdboden berührte, und zwar nur wenige Meter vor der rechten Lawine. Die Bombe hielt die Welle nur für Sekunden auf, aber dann stieß die linke Welle in einer gewaltigen Kollision mit ihr zusammen. Das Geräusch des Zusammenpralls erreichte den Hubschrauber. Die Alouette erbebte unter der Druckwelle, als eine riesige Schneewolke hochwirbelte und den Hubschrauber einhüllte. Dann verzog sich der Schneestaub, und Wargrave ließ die Maschine in Richtung auf den Zug heruntergehen.
    Die Lawine endete in dem normalen Kegel. Eine Schneezunge schob sich noch über den Bahndamm hinter dem Expreß und überflutete den Gleiskörper, aber die Wucht war jetzt gering geworden. Der Atlantik-Expreß setzte seine Fahrt in Richtung Airolo fort, der letzten Bahnstation vor dem Gotthardtunnel.

20. Die Falle im Schollenen-Tunnel
     
     
     
    Unmittelbar nachdem sie von Andermatt aus General Traber in Zürich angerufen hatte, um ihre Warnung durchzugeben, die er weitergefunkt hatte – die Warnung, ohne die der Atlantik-Expreß nicht gerettet worden wäre –, hatte Anna Markos in ihrem Zimmer im Hotel Storchen ihre Reisetasche gepackt. Sie schätzte, daß ihr gerade noch genug Zeit blieb, den Zug um 20 Uhr 31 von Andermatt nach Göschenen zu erreichen, wo sie nach kurzem Aufenthalt in den Atlantik-Expreß zusteigen würde.
    Bevor sie das Zimmer verließ – die Rechnung hatte sie schon vorher beglichen –, ergriff sie eine

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