Lawinenexpreß
aber Wargrave und Elsa hatten eine Weile ruhen können, bis der deutsche Abwehrmann sie holte.
»Ich finde, Sie sollten wissen«, informierte Wander sie knapp, »daß der Expreß ab Köln umgeleitet werden muß, um dann über Aachen und Brüssel nach Amsterdam zu fahren…«
»Warum?« fuhr Wargrave dazwischen.
»Ein Stück Bahndamm nördlich von Düsseldorf ist in die Luft gesprengt worden, so daß der Zug nicht die direkte Route nach Amsterdam nehmen kann. Wir erwarten noch mehr solcher Späße von der Geiger-Gruppe«, fügte er in seinem hervorragenden Englisch hinzu.
»Da liegt was im Busch«, bemerkte Wargrave, »das rieche ich förmlich…«
»Ich sehe keinen Zusammenhang mit der Tatsache, daß General Marenkow sich im Zug befindet«, erwiderte Wander. »Wäre der ganze Zug zerstört worden, wenn wir zur fraglichen Zeit über diesen Streckenabschnitt gefahren wären? Ich glaube kaum – einige Waggons wären vermutlich schwer mitgenommen worden, aber die meisten hätten es unbeschädigt überstanden.«
»Genau«, erwiderte der Engländer. »Sie hätten nicht absolut sicher sein können, Marenkow erwischt zu haben.« Er stand auf. »Ich glaube, ich führe per Funktelefon mal ein langes Gespräch mit General Scholten…«
Wargrave ging zum Funkabteil und fragte Peter Necker, ob er das Funktelefon mal allein bedienen könne. Nachdem Necker hinausgegangen war, sprach Wargrave nicht weniger als zwanzig Minuten mit Scholten, dann ging er weiter nach vorn, um Nicos Leonides zu sprechen. Er schloß die Tür und sprach schnell auf den Griechen ein. »…also halte dich für mich bereit…«, waren Wargraves letzte Worte, als er hinausging und ins Nebenabteil trat, um mit Anna Markos das gleiche zu besprechen. Als er sie verließ, hatte er einen grimmig entschlossenen Gesichtsausdruck. Er würde sich am Ende auf seine griechische Zelle verlassen müssen, um die Sache zu erledigen.
Zehn Minuten vor dem langen Telefonat Harry Wargraves mit General Max Scholten erreichte den holländischen Abwehrchef ein Ortsgespräch. Sein Stellvertreter, Major Sailer, nahm den Hörer ab und wandte sich dann an Scholten.
»Da ist ein gewisser Panhuys am Apparat…«
»Ich nehme das Gespräch an«, sagte Scholten schnell. Er hörte nur kurze Zeit zu, sagte ab und zu ja oder nein, legte dann auf und ging zur Wandkarte hinüber. »Diese Explosion auf der Strecke nördlich von Düsseldorf bedeutet, daß der Atlantik-Expreß über Aachen und Brüssel geleitet wird«, bemerkte er.
»Das wissen wir schon«, erwiderte Sailer. »Wir haben die Nachricht vor fünfzehn Minuten erhalten.«
Scholten zog einen Bleistift aus der Tasche und kreiste auf der Karte schwungvoll ein bestimmtes Gebiet ein. Der Kreis, den er gezeichnet hatte, schloß in etwa das Rheindelta ein. »Irgendwo in diesem Kreis wird sich der Höhepunkt ereignen«, sagte er voraus. »Versetzen Sie das Venlo-Team in Alarmbereitschaft«, fügte er beiläufig hinzu.
Die Anweisung ließ Sailer aufhorchen. Das Venlo-Team war eine Gruppe handverlesener holländischer Scharfschützen, die von Scholten höchstpersönlich wegen ihrer ganz besonderen Schießkünste ausgewählt worden waren, eine streng geheime Einheit zur Terroristenbekämpfung, die dem holländischen Abwehrchef direkt unterstand.
»Wo bringen wir sie unter?« fragte Sailer.
»In der geheimen Basis in Dordrecht…«
Ohne es zu wissen, entsandte Scholten seine Männer in dieselbe Stadt, in der sich die Geiger-Gruppe versammelte, aber das war kein purer Zufall. Scholten machte sich daran, seine Gründe zu erläutern.
»Wir wissen, daß der Atlantik-Expreß via Brüssel und Roozendal nach Amsterdam umgeleitet wird, Sailer. Wie würden Sie einen ganzen Eisenbahnzug zerstören – um sicher zu sein, daß Sie den einen Reisenden erwischen, dem Sie nach dem Leben trachten?«
»Ich würde den Bahndamm in die Luft jagen – so wie sie es nördlich von Düsseldorf getan haben…«
»Aber damit wäre nur ein Teil des Zuges zerstört. Marenkow könnte durchaus überleben. Überlegen Sie weiter.«
»Mir sind die Ideen ausgegangen«, bekannte Sailer.
»Ich würde eine ganze Brücke in die Luft sprengen, während der Expreß sich auf ihr befindet – sagen wir die lange Maasbrücke. Dann würde der gesamte Expreß in den Fluß stürzen…«
»Oh, mein Gott…« Sailer verstummte, als das Telefon läutete. Er nahm den Anruf entgegen und reichte seinem Chef den Hörer. »Harry Wargrave möchte mit Ihnen sprechen; der
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