Lawinenexpreß
sollten, daß ich Ihnen alles erzählt habe, werde ich Sie mit bloßen Händen umbringen. Aber denken Sie daran, wenn Ihr Unternehmen in Gefahr gerät…« Er sah auf, als Elsa Lang, gefolgt von Wargrave, den Raum betrat.
»Tut mir leid, so bei Ihnen hereinzuplatzen«, sagte Elsa rasch, »aber das Mädchen draußen sagte, Sie seien allein, und wir wußten, daß Julian sich Sorgen macht…« Sie hielt inne, als Riverton eine Anfrage aus der Gegensprechanlage beantwortete. »Ist in Ordnung, Miß Russel, ich habe die Herrschaften erwartet…«
Haller ging bereits durch die Seitentür in die dahinterliegende Bürosuite. Nachdem Elsa und Wargrave eingetreten waren, schloß er die Tür und fuhr herum. »Ed hat eure Ankunft gar nicht durchgegeben…«
»Mit den Fernsprechleitungen ist irgend etwas nicht in Ordnung«, erklärte Wargrave, als er Elsa die dreizehnte Kassette abnahm und sie in den Recorder steckte. »Und außerdem hatte unsere Maschine ziemlich Verspätung – in Europa sind jetzt nur noch die Flughäfen Mailand, Zürich, London und Amsterdam offen. Das Wetter ist unglaublich. Fast der gesamte Kontinent wird von einem Schneesturm heimgesucht. Ich kann nur hoffen, daß sich das Wetter beruhigt, wenn wir im Februar den nächsten Trip machen…«
Haller machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen, um für Elsa Kaffee zu machen, die inzwischen ihre Pelzkappe und die dunkle Perücke abgenommen hatte. Auf ihrem Zobelmantel lagen Schneeflocken, obwohl sie vom Wagen sehr schnell ins Baton Rouge Building gelaufen war. Der Amerikaner goß Wargrave einen großen Scotch ein und stellte das Glas neben den Recorder.
»Hat’s in Basel diesmal irgendwelche Störungen gegeben?« fragte er ruhig.
»Nicht die Spur«, erwiderte Elsa und ließ sich in einen Lehnstuhl fallen. »Das gesamte Unternehmen ist völlig glatt verlaufen.« Sie zündete sich eine Zigarette an, während Haller Kaffee einschenkte. »Danke, Julian. Ich könnte ihn literweise trinken – es ist so unheimlich kalt draußen. Beim Anflug haben wir gesehen, daß der St.-Lorenz-Strom völlig zugefroren ist.« Sie trank einen Schluck Kaffee. »So, jetzt geht’s mir schon viel besser. Ich möchte wissen, was Angelo uns diesmal zu erzählen hat:.« Sie verstummte, als die vertraute heisere Stimme zu sprechen begann. Angelo hatte noch keine Minute gesprochen, da fror sie trotz der Wärme des Zimmers.
»Ich bin hier sehr plötzlich unbrauchbar geworden… Ich muß Sie bitten, sofort Maßnahmen zu treffen, damit Sie mich am kommenden Samstag, dem 8. Januar, aus Rumänien ausfliegen können. Es darf nichts schiefgehen… der Ernstfall ist eingetreten…«
Wargrave schaltete das Gerät ab und starrte zu Haller hinüber, der sich eine neue Zigarette anzündete; das war eine instinktive Reaktion, mit der er der Situation die Spannung nahm. Aus Elsas Gesicht war alle Farbe gewichen; Wargrave stand neben dem Recorder und stemmte die Hände in die Hüften. Seine Wangenknochen traten hervor, und er hatte die Augen halb geschlossen, während er intensiv nachdachte. »Bruno ist erreichbar, nehme ich an«, sagte er ruhig.
»Bruno ist nicht erreichbar«, sagte ihm Haller. Auch er nannte Präsident Moynihan beim Codenamen. »Er ist gestern plötzlich nach Tokio geflogen – wegen Taiwan ist eine neue Krise ausgebrochen. Er wird erst in einer Woche zurück sein – wir sind also auf uns selbst gestellt…«
»Dann muß also die Schildkröte entscheiden«, sagte Elsa mit einem gequälten Lächeln. Schildkröte war der Spitzname, den sie für Julian Haller erfunden hatte, weil er keine Angst hatte, den Kopf hinzuhalten und größere Entscheidungen zu treffen, ohne im Weißen Haus nachzufragen.
»Sieht so aus«, stimmte die Schildkröte zu. »Wie einer unserer verehrten ehemaligen Präsidenten einmal sagte: Hier darf nicht gekniffen werden.« Er blickte zu Wargrave hoch. »Lassen Sie das Ding wieder laufen – hören wir uns das Schlimmste an…«
Angelo setzte seinen Bericht fort: Im Verlauf der vergangenen Monate habe sich der Verdacht erhärtet, daß es auf hoher Ebene einen Informanten gebe; schließlich sei die undichte Stelle so weit eingegrenzt worden, daß nur jemand im Politbüro in Betracht kommen konnte. Eine Troika von Männern – Leonid Sedow selbst, Marschall Pratschko und General Marenkow – sei mit dem Aufspüren des Verräters betraut worden. Und ebenso wie bei der vor einem Jahr empfangenen Kassette gab Angelo auch jetzt präzise Anweisungen, wie
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