Lawinenexpreß
Abwehrfahrzeuge. Straßensperren waren errichtet worden. An strategisch wichtigen Punkten setzten große Hubschrauber Truppen ab. Das gesamte, für den Kriegsfall gedachte Sabotageabwehrsystem war mobilisiert worden. Eine Einheit hatte bereits den Militärposten erreicht, aus dem die Bande den Jeep entwendet hatte. Über Funk meldeten die Männer die Entdeckung der Leichen von drei Schweizer Soldaten. Der Oberst gab den Befehl, die Nachricht sofort an alle Einheiten weiterzugeben.
Die drei kommunistischen Agenten, die den Expreß mit einem Kugelhagel überfallen hatten, hatten den Jeep inzwischen aufgegeben und in einer Baumgruppe versteckt. Sie fuhren jetzt einen Mercedes. Mit ihnen fuhr auch Emilio Valenti, der Bahnwärter, der den Expreß gestoppt hatte. Am Steuer saß Luisa. Ihr Gesicht zeigte die Anspannung, als sie mit hoher Geschwindigkeit nach Norden in Richtung Bellinzona fuhr. Da sie eine leere Landstraße vor sich wußte, trat sie das Gaspedal durch. Die Tachonadel kletterte auf einhundertachtzig Stundenkilometer, eine gefährliche Geschwindigkeit auf der eisglatten Straße.
»Sie werden uns noch umbringen bei dem Tempo«, warnte Marco, der Mann, der das Maschinengewehr bedient hatte.
»Halten Sie die Klappe.« Luisa sprach, als äußerte sie einen Befehl. »Sie haben Ihren Job erledigt, jetzt werde ich meinen erledigen – nämlich uns hier rauszubringen.«
Der Wagen schlitterte, als sie eine Kurve nahm. Sie schien die Gewalt über die Limousine zu verlieren, machte heftige Lenkbewegungen, bekam den Mercedes wieder unter Kontrolle und beschleunigte auf der nächsten Geraden. Hinter sich hörte sie Marco keuchen. »Ängstlich?« fragte sie. »Dann machen Sie doch die Tür auf und steigen Sie aus…«
»Ein Hubschrauber kommt auf uns zu«, bemerkte der schlaksige Mann neben ihr. »Wann werden wir die Wagen wechseln?«
»In drei Minuten, vielleicht vier. Dann haben wir die Hunde abgeschüttelt. In einer halben Stunde sind wir am Flugplatz…«
»Die längste halbe Stunde unseres Lebens«, sagte Marco hinter ihr. »Heilige Mutter Gottes! Sehen Sie! Da vorn…«
Der Mercedes raste mit Höchstgeschwindigkeit ein Gefälle hinunter; auf beiden Seiten war die Straße von baumbestandenen Böschungen gesäumt. Vor ihnen lag eine Straßensperre aus Polizeifahrzeugen, die quer über die Fahrbahn gestellt worden waren. Als Luisa die Geschwindigkeit drosselte, wurde ein Suchscheinwerfer eingeschaltet, der direkt auf ihr Gesicht gerichtet war und sie blendete. Sie duckte sich, bremste weiter ab, fuhr auf das Bankett, legte den Rückwärtsgang ein, setzte zurück, riß das Lenkrad herum und fuhr in die Richtung los, aus der sie gekommen war. Dann ließ sie lästerliche Flüche hören und trat auf die Bremse.
Ein Armeepanzer war plötzlich zwischen den Bäumen aufgetaucht und blockierte jetzt die Fahrbahn. Der Lauf seines langen Geschützes wurde gesenkt und direkt auf den Wagen gerichtet. Luisa langte nach ihrer Pistole im Handschuhfach. Im selben Augenblick zertrümmerte ein Soldat das Seitenfenster auf der Fahrerseite und legte mit seinem Gewehr auf sie an. Auch die hinteren Scheiben wurden eingeschlagen; Gewehrläufe ragten ins Innere des Wagens.
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Keine Bewegung«, rief eine Stimme auf italienisch.
Die Türen wurden aufgerissen. Die vier Männer leisteten keinerlei Widerstand, aber Luisa fing an, den Offizier, der die Pistole aus dem Handschuhfach an sich gerissen hatte, zu kratzen und zu treten. Der ließ die Pistole fallen und versetzte ihr mit dem Handrücken einen brutalen Schlag. Luisa fiel gegen das Lenkrad; sie blutete, war taumelig und nur noch halb bei Bewußtsein, als der Offizier sie aus dem Wagen zerrte. »Das wird Sie lehren, Schweizer Soldaten zu ermorden«, sagte er ruhig. »Legen Sie dem Miststück Handschellen an«, befahl er einem Untergebenen.
Viele Kilometer entfernt, unten im Tal des Lago Maggiore, hatten Armeefahrzeuge bei der Routineüberprüfung eines kleineren Flugplatzes eine leichte Sportmaschine umstellt. Der Pilot leistete keinen Widerstand. Innerhalb von dreißig Minuten hatte Oberst Springer die wichtigste kommunistische Sabotagegruppe im Raum Lugano zerschlagen.
Der Atlantik-Expreß hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Er rollte jetzt auf die lange Abfahrt zu, auf der der Schienenstrang sich auf dem Weg nach Bellinzona eng an die Berghänge schmiegt. Elsa klopfte an die Tür von Wargraves Abteil. Er öffnete sie ein wenig, ließ Elsa eintreten
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