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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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der Nähe des Bahnhofsausgangs auf dem verschneiten Bahnsteig. Elsa beobachtete ihn, als er sich umsah, studierte sein selbstbewußtes Auftreten und sein auffallend männliches Gesicht, das einen fast tierhaften Magnetismus ausstrahlte. Mein Gott, dachte sie, was für ein gutaussehender Kerl. Sie hatte ihn schon früher in einem Erster-Klasse-Abteil sitzen sehen, aber nicht bemerkt, wie hochgewachsen er war. Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke, dann sah Santos weg. Seine Pfeife war ausgegangen. Er bückte sich sehr bedächtig, hob einen Fuß und klopfte seine Pfeife aus.
    »Madame Wells?« Elsa drehte sich um und sah sich einem Mann in Schweizer Eisenbahneruniform gegenüber. »Sie sollten lieber wieder einsteigen. Der Expreß fährt gleich weiter«, murmelte er. Sie standen sehr eng beieinander, als sie ihm die Spule zusteckte, die Wargrave ihr gegeben hatte, und er nahm sie ihr so geschickt ab, daß niemand die Übergabe bemerkte. Danach ließ der Schweizer sie stehen und ging in die dunkle Halle zurück. Elsa blieb noch auf dem Bahnsteig und ging ein wenig auf und ab – wäre sie sofort eingestiegen, hätte das zu auffällig wirken können.
    Der Schweizer in der Eisenbahneruniform hatte gerade den Ausgang des Bahnhofs erreicht, als draußen ein Wagen anhielt und der in einen Schal gehüllte Oberst Springer ausstieg. »Ist der Atlantik-Expreß noch da?« fragte der Oberst den Eisenbahner. »Noch mindestens zehn Minuten«, erwiderte der Mann und übergab Springer dabei unauffällig die Spule. Der Oberst betrat ein Büro, das für ihn reserviert worden war, schloß die Tür und nickte einem seiner Mitarbeiter zu, Major Jürgen Thall, der ihn bereits erwartete. Springer zog die Nachricht aus der Spule, las sie rasch durch und reichte den Zettel dann seinem Untergebenen.
    »Eine Blitzmeldung für Hauptmann Franz Wander vom deutschen BND. Er dürfte jetzt im Abwehrhauptquartier in Basel warten. Die Antwort muß – muß«, betonte Springer, »über Funktelefon an mich persönlich gerichtet werden. Sie darf nicht über Peter Necker geleitet werden, den Funker im Zug. Und ich wünsche die Antwort innerhalb von dreißig Minuten…«
    Er ging zurück in die Bahnhofshalle und dann auf den Bahnsteig. Dabei kam er an einer Frau in einem schäbigen Mantel und mit Hut vorüber, die von einem seiner Männer in Schweizer Bahninspektoruniform angesprochen wurde. »Kann ich Ihnen helfen, Madame?« hatte der Beamte einen Augenblick vorher gefragt.
    »Ich habe auf meinen Mann gewartet«, erklärte die Frau. »Dies ist doch der Fünf-Uhr-Expreß aus Mailand?«
    »Das ist der Atlantik-Expreß, ja, Madame.«
    »Dann hätte er jetzt doch schon ausgestiegen sein müssen?«
    »Ich denke ja«, versicherte der Agent Springers. »Sind Sie sicher, daß er mit diesem Zug gefahren ist?«
    »Er wollte es – es sei denn, er ist durch eine geschäftliche Besprechung aufgehalten worden.«
    »Dann muß er aufgehalten worden sein. Sie werden sehen, er kommt bestimmt morgen früh.«
    »Sie haben sicher recht. Vielen Dank.«
    Die schäbig gekleidete Frau ging durch die Halle und verließ dann den Bahnhof. Draußen wartete ein alter Fiat mit einem Mann am Steuer. Sie setzte sich neben ihn, schloß die Tür, und er fuhr los. »Er hat mir das Signal gegeben«, sagte sie. »Sie haben ihn nicht getötet. Marenkow lebt noch und sitzt irgendwo im Zug.«
    Auf dem Bahnsteig des Bahnhofs von Bellinzona humpelte Joseph Laurier noch immer ruhelos herum, während Jorge Santos bereits wieder eingestiegen war. Santos lehnte sich jetzt aus dem Fenster, im rechten Mundwinkel seine erkaltete Pfeife. Elsa ging zum letzten Schlafwagen zurück, gefolgt von Phillip John, der sich einige Meter hinter ihr hielt. In dem Augenblick trat Oberst Springer aus der Halle. Hinter ihm erschien sein Assistent, Major Thall. Beide überquerten den Bahnsteig und bestiegen den Zug. Nichts in Lauriers Haltung und Gesichtsausdruck verriet seine grenzenlose Überraschung. Er hatte den Oberst sofort erkannt und den Blick Springers nach Norden aufgefangen – in Richtung Gotthard, dem der Expreß sich schon bald nähern würde. Hatte Springer – wie Laurier – erahnt, daß der Atlantik-Expreß in eine gigantische Falle rollen würde, wenn er die gewaltige Schlucht erklomm? Denn auf beiden Seiten wurde die Schlucht von mächtigen Bergwänden gesäumt, die den Schienenstrang wie in eine Zange nahmen.
    Hinter der Sichtblende am Ende des Bahnsteigs hatten die mit gewohnter Schnelligkeit und

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